Wenig überraschend ist "Rise", das erste Album von Novi Sad seit "Europe's Other Side" aus dem Jahr 2003, nur hinsichtlich der hohen Qualität des zu Gehör gebrachten. Im Mittelpunkt des Doppel-Albums stehen Lieder zwischen überschäumender Lebensfreude und melancholischer Nachdenklichkeit.

War das Vorgänger-Album sehr stark Folk-Pop orientiert nähert sich die Band nun stilistisch den Grenzbereichen Psychedelic und Soul anhand von 15 Liedern auf zwei CDs, perfekt passend zum schönen Art Work mit Bildern von dem im Jahr 2007 verstorbenen Jannis Minopulos. Erstmals in der Bandgeschichte von Novi Sad wird auch die 10-Minuten-Marke in einem Lied durchbrochen. "In the air - somewhere" ist eine kurzweilige 13 Minuten und 15 Sekunden dauernde Reise in die meditative Entspannungslehre von Sängerin Evelyn Blumenau. Ein langsames dahinfließen ins innere Bewusstsein, am Rücken liegend, die Augen geschlossen, "I feel good/and I'm floating, I'm floating". Mantra.

Hexen-Sprache, Shakespeare-Nächte und Madame George

Eingeleitet wird das Album mit dem aberwitzigen "Hagazussa", einem melodienstarken Gebräu inklusive mittelalterlicher Hexensprache, bei der sogar Van Morrison auftaucht: "…and the witch's brew we share/in haunted Cypress Avenue/Madame George". Gesanglich unterstützt wird Blumenau dabei übrigens von Daniel Adam Smith. Hexen und Zauberer tauchen auch in den Shakespeare-Nächten von "Badia - A Secret Tuscan Place" auf, ein Lied, das in den ersten zwei Minuten die Avantgarde-Experimente von Laurie Anderson ins Gedächtnis zurück bringt, um in weiterer Folge mit völlig unterschiedlichen Wendungen und Überraschungsmomenten aufzuwarten. Immerhin fast neun Minuten dauert "The Angel And Me", einem der Höhepunkte des Albums als zauberhaftes Ineinandergleiten von Melodie und Text. "Are you ready to love me?/Bist du wirklich bereit?/Are you ready to touch me - now." Zaubertanz und Mysterienspiel. Ebenbürtig das sinnlich-verspielte "Falling In Love" von Klaus Schuch mit einer stimmlich variablen Evelyn Blumenau. Ohrwurm-Charakter inklusive der wunderbaren Textzeile "Instead of arte news, it's cinema I choose."

Ein Fest für musikinteressierte Ohren

Von Schuch ist auch das hervorragende Liederpaar "Sweet Surrender" und "Lullaby for M.". Liederpaar deshalb, weil von "Does my calling reach your soul? And does it burn, my dear?" in "Sweet Surrender" zu "…dry your tears and I will try to dry mine, too" im Gute-Nacht-Lied ist es ja kein allzu weiter Weg. Wie auch immer: Beide Lieder überzeugen mit großen Melodien und einer gewohnt stark aufspielenden Band. Dem folgt übrigens ein weiteres Liederpaar, diesmal von Blumenau. "What Will Remain" mit I'bn Dieter Abunaim an der Oud und Kanun (welch ein brillanter Schachzug!) und "The Arrested Testimony" sind zwei verzärtelte Psychedelic Bestandsaufnahmen. Alleine diese zwei Liederpaare sind den Kauf des Albums wert. Die Vielfalt von Novi Sad kommt hier in all ihrer Unternehmungslust zu tragen und musikalisch wie textinhaltlich strömt es sondergleichen. Ein Fest für musikinteressierte Ohren. Und noch ein Liederpaar: Mit "Lebwohl" und "Paul" folgt allerdings ein sprachlicher Bruch und interessanter Weise ändert die Sprache auch die Musik. Mysteriöse Elemente weichen dem Konkreten. Die Zeit als roter Faden durchs Album findet sich aber auch hier wieder: "Hollywoodkarriere am Parkplatzklo/Einen Steinwurf weg vom EK-zent/In dieser verdammten Einsamkeit/Beraubt die Tagediebe die Zeit". Nur fließt sie hier eben nicht mehr, die Zeit, denn: "Und die Uhr geht nach und nach und nach und steht." Das letzte Lied des Albums, "My Funeral Lunch", könnte ebenfalls als bestes Lied des Albums durchgehen, aber davon gibt es auf "Rise" doch allzu viele, daher belassen wir es dabei, dass es einfach der letzte Höhepunkt und zugleich der würdige Abschluss eines gelungenen Albums ist. Einem Album, von dem man sehr lange zehren kann. //

Text: Manfred Horak
Foto: Novi Sad Archiv

CD-Tipp:
Novi Sad: Rise
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Extraplatte (2008)