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branson_richardRichard Branson, die fleischgewordene Jungfräulichkeit, war schon immer ein Mensch der mit Extremen klarkommen musste und wenn sie sich nicht von selbst anboten dann suchte er sie eben. Keine Herausforderung war ihm zu groß, keiner Herausforderung ging er aus dem Weg. Seinen Werdegang zu einem der reichsten Briten und zu einem der bekanntesten Menschen im Musikbusiness beschreibt er in typisch unterkühlter, trotzdem aber humorvoller Art und Weise in seiner Autobiografie.

Vor vielen Jahren, um genau zu sein im Jahr 1976, war ich, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, per Bahn und mit dem Rucksack in den Sommerferien unterwegs. Interrail war das Zauberwort und die Stadt der Träume der heranwachsenden Musikfans war London. Dort erwarb ich, irgendwann um 3 Uhr früh in einem Plattenladen die LP "Tubular Bells" von einem gewissen Mike Oldfield. Wie ein Schatz wurde diese LP im Rucksack verstaut und überlebte ohne gröbere Probleme die Reise quer durch Europa inklusive Marokko, ebenfalls ein damals mythenumwobener Landstrich der unbedingt besucht werden musste.
Back in good old Austria rotierte diese Scheibe ohne Ende am Plattenspieler. Vor kurzem wurde ich wieder an das "semi-esoterische" Meisterwerk erinnert.
Richard Branson, der Gründer des Virgin Labels erzählt in seiner Autobiografie, dass "Tubular Bells" das erste klingende Werk seines Labels war, mit dem er Gewinne machen konnte. Schon der Weg zu der Labelgründung war nicht ganz frei von diversen Barrieren.

In the Beginning

In seiner, für ihn offensichtlich wunderbaren, für viele andere sicher nicht nachvollziehbaren Kindheit, wurde er mehr oder weniger gezwungen, an seine Grenzen zu gehen. Etliche Kilometer mit dem Rad zu fahren weil er - als Neunjähriger! - den "Befehl" von seiner Mutter dazu bekommen hatte. Oder der Sprung ins eiskalte Wasser, um als Nichtschwimmer das Schwimmen zu erlernen, nur um von der Tante 10 englische Shilling als Belohnung zu bekommen. Solcherart Erfahrungen in seiner Kindheit haben ihn nachhaltig geprägt. Die Schule, die Ausbildung an sich, ließ er meist sein, gehandicapt war er auch noch durch seine angeborene Legasthenie, lieber gründete er gemeinsam mit ein paar anderen "Irren" den "Student", ein - Nomen Est Omen - Studentenmagazin. Immer tiefer geriet er in den Strudel der studentischen Aufbruchsstimmung und sein merkantiles Gen setzte sich immer stärker durch. Andere konsumierten verbotene Substanzen, Branson dröhnte sich weg mit Überlegungen wie es weitergehen könne, wo und wie er mit seinen Talenten "etwas" erreichen könnte. Sein Weg war ihm nicht klar, aber mehr oder weniger hatte er sich in Bewegung gesetzt und er konnte seinen Gang nicht mehr stoppen. Nach dem "Student" kam ein Schallplattenversand, er hatte mit seinem Geschäftssinn die Schwachstellen der Musikindustrie erkannt und vor allem hatte er die Wünsche der Musikkonsumenten und der Schallplattenkäufer genauestens wahrgenommen. Danach kam folgerichtig die Gründung eines eigenen Labels und was in der weiteren Folge kam war nie etwas Anderes als ein Ausnützen und richtige Deutung des Zeitgeistes. Mode, Urlaub, Reisen, Fliegen. Alles kam im richtigen Moment und alles funktionierte so wie Richard Branson es sich vorgestellt hatte.

Business ist wie Rock'n'Roll

Branson hatte, und hat, ein untrügliches Gespür für das Geldverdienen. Er gründete ein Unternehmen um das Andere, wurde seinen Ansprüchen (fast) immer gerecht und ist, obwohl inzwischen einer der reichsten Menschen des britischen Empire, seinen Idealen nie untreu geworden. Er versuchte, als erster Mensch die Erde mit einem Heißluftballon zu umkreisen, er siegte in merkantilen Belangen vor Gericht und er erlebte privat und geschäftlich so manche Katastrophe. Aus all diesem ging er aber meist unbeschädigt hervor. Seine Siege kostet er nie bis zur endgültigen Neige aus und seine Niederlagen steckt er ohne äußere Zeichen der Depression weg.
In seiner Autobiografie beschreibt er sein Leben unsentimental ohne falsche Bescheidenheit, er spricht über seine manchmal nicht ganz legalen geschäftlichen Transaktionen, er erzählt über seine persönlichen Schwächen und seine bisweilen persönlichen Katastrophen immer mit seinem sehr persönlichen Unterton und im Grunde genommen gibt er allen Mut die nicht genau wissen, wohin sie mit ihrer Kreativität, mit ihrer Fantasie und ihren Fantasien sollen. Die Autobiografie ist unterhaltsam und äußerst kurzweilig geschrieben und eröffnet einen manchmal doch sehr intimen Einblick in das Leben eines "reichen" Mannes der es aus eigener Kraft geschafft hat die Welt doch ein klein wenig zu verändern.
Ein kleinwenig Stolz schwingt auch bei mir mit, da ich mit dem Erwerb von "Tubular Bells" gleich nach Erstveröffentlichung zum Aufstieg von Richard Branson beigetragen habe. Ich mag den Typen halt. (akro) 

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Wilhelm Heyne Verlag München, 2005
540 Seiten, TB
ISBN 3-453-64005-5