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nathacha-appanah-derletztebEin Tag Zeit, eine Schüssel mit exotischen Früchten für kleine Pausen und schon ist man bereit für eine einfühlsame, dramatische, überraschende und emotionelle Reise in die Jugend des siebzigjährigen Raj. Einen Tag deshalb, weil die junge Autorin Nathacha Appanah in einem zarten und fließenden Stil schreibt, der nur kurze Pausen zulässt, ständig die Neugierde weckt und mit Überraschungen punktet.

Raj, von seinem erwachsenen Sohn auf den Friedhof gebracht, findet dort das Grab seines Freundes aus Kindertagen, David Stern, gestorben im Jahr 1945 im Alter von 10 Jahren und erlebt in Gedanken seine Kindheit, ein Leben in Armut und Entbehrung. Er führt uns in ein Camp bei einer Zuckerrohrplantage, das mit aktuellen Armutsvierteln am Rande großer Metropolen vergleichbar ist. In diesen tristen Umständen verbringt er mit seinen Brüdern eine Kindheit, die von schwerer Arbeit und den täglichen Prügelorgien des betrunkenen Vaters und der liebevollen Fürsorge der Mutter geprägt ist. Raj darf als einziger die Schule besuchen. Das beeinflusst aber in keiner Weise den Zusammenhalt und die Liebe der Brüder zueinander. Gemeinsam erledigen sie ihre häuslichen Arbeiten und helfen der Mutter im Haushalt.

Diese "Idylle" wird durch eine Naturkatastrophe jäh beendet. Beide Brüder kommen bei einem verheerenden Unwetter um. Die trauernde Familie zieht an einen Ort im Norden. In ein festes Haus nahe einem dichten Wald und nahe der Arbeitsstätte des Vaters. Ein großes Gefängnis. Der Vater ist dort Aufseher, was ihn aber nicht davon abhält betrunken den Rest seiner Familie regelmäßig zu verprügeln. Bei einer dieser Attacken wird Raj so schwer verletzt, dass er in das Gefängnisspital zur Heilung seiner Wunden geführt werden muss. Er sei vom Baum gefallen. Weil er ja auch immer im Wald spielen muss, argumentiert der feige Vater. Dort lernt er einen bemerkenswerten Jungen kennen. Sein Name: David. Er kommt aus Prag und ist Jude. Seine Eltern sind beide tot. Zwischen den beiden beginnt eine enge Freundschaft. Auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen.

Hier beginnt bereits das neugierige Staunen, denn wie kommt es eigentlich, dass Juden, aus Europa  vertrieben, auf einer Insel landen und dort von Engländern unter grausamen Bedingungen in einem Gefängnis festgehalten werden? Diese erstaunliche Situation konnte Raj auch erst nach der Schule lösen. Er forschte in den Archiven des Landes und stieß auf diese unglaubliche Tatsache in der Geschichte seiner Heimat. Wer in den Pausen einige der exotischen Früchte genossen hat, der lernt dieses Land, es ist Mauritius, auch schmecken. Es war ein schöner Lesetag. (Peter Cerny)

Buch-Tipp:
Nathacha Appanah - Der letzte Bruder
Bewertung: @@@@
Verlag: Knaus (2009)