sikanda1Mit eigens ausgestattetem Audiovisions Bus kam Markos Aristides für die 3D Ultrabook Tour nach Wien, um ein historisch bedeutsames Gebäude, die Karlskirche, zu bespielen. Begleitend dazu der Sound von Makossa & Megablast. Ein Anlass für Anne Jan auch die heimische Szene der audio-visuellen Künstler näher unter die Lupe zu nehmen, umso mehr, weil Wien als Hochburg der Visual Jockey Szene gilt.

VJs verwenden eine eigene Software, die sie unterschiedlich verifizieren. Die ersten wurden allerdings selbst geschrieben. Einer, der sich als Großvater der VJs bezeichnet, ist El Geko alias Gerhardt Kohlmaier. Ein Grazer, der in Wien Fuß fasste, und wenn er auch vorerst nur mit Videoprojektionen einen Raum bespielte, vj-karlskirchebeispielsweise in der Arena bei den Ultimate Raves oder XXX Produktionen in den alten Gasometern in den frühen 1990er Jahren, begann er schon bald selbst Programme für Animation zu entwickeln, die es ihm zudem ermöglichten, Live Einspielungen zu tätigen. Fraktale, die sich selbst immer weiter inszenieren und Spektralfarben auf Amiga-Computern zu entwickeln, waren sein Beginn. Bald folgten Live-Bilder der Tanzenden über eine eigens installierte Kamera und vermittelten so das Gefühl eines endlosen Raumes, erweitert mit pulsierenden, farbigen Bildern auf Großflächenprojektionen. Zwischen 1994 und 1997 produzierte und veröffentlichte El Geko 36 einstündige Editionen von XTRAX, einem monatlich erscheinenden Programm, dem nachgesagt wird, dass es zu jeder Musik passt. Heute ist El Geko einer der international meist gebuchten VJs, besonders in der Psytrance Szene. Gebucht wird er für Events, Partys und Festivals mit bis zu 7000 und mehr Besuchern. Seine Referenzliste ist beeindruckend und reicht von der Vortex Millenium-Party 1999/2000 in Capetown, Südafrika, dem Vision Quest Festival in Nagano, Japan, dem Optical Matrix im russischen St. Petersburg bis hin zum Sonnenklang Festival in Österreich und der XXXperience Celebration in Rio de Janeiro und Sao Paulo (Brasilien).

Gute VJs erkennt man an der eigenen Bilderwelt

Ein anderer Meister seines Fachs ist Fritz Fitzke, geboren 1961. Er tourt nicht nur seit 1998 international mit DJs wie Kruder und Dorfmeister, sondern liefert auch Bilder für Theater und Oper, aber auch beispielsweise für Hubert von Goiserns Donauschiffstour 2007/2008 auf einem Frachter mit Konzertbühne und dessen Europatournee 2009. "Einen guten VJ erkennt man an seiner eigenen Bilderwelt, an der künstlerischen Tiefe und der Wiedererkennbarkeit - sein Stil ist projektion-nachtunverwechselbar", sagt er. Fitzke verwandelt Räume mittels 3D-Mapping und LED-Wänden. Da wird aus einem langweiligen, viereckigen Raum plötzlich ein Festsaal mit rotierenden Säulen und gemalten Engeln an der Decke. Passend zur Musik variieren dann die Farben. Dazu nimmt er den Raum in seiner ursprünglichen Form fotografisch auf und verwandelt mittels Projektionen die Textur und Beschaffenheit der Wände. In seiner Kunst wird aus Licht und Strukturen die entscheidende Illusion. Begonnen hat Fritz Fitzke 1982 mit einzelnen Diaprojektoren. Er hat die Grafische absolviert und zuerst Dias überblendet, um dadurch, für den Moment, neue Bilder entstehen zu lassen, manchmal mit mehr als vier Projektoren gleichzeitig. Ähnlich wie ein DJ aus mehreren Musiktracks einen Neuen mischt, so verwandelt, verfremdet und verformt er seine Bilder und erschafft dadurch Neues. Von El Geko habe er dennoch viel gelernt, sagt er, denn dieser wäre der erste gewesen, der schon immer mit Film und Videosignal gearbeitet hat. Für große Projekte waren sie dann auch manchmal gemeinsam am Werk. Bald hat Fritz Fitzke ebenfalls digital gearbeitet und sich eigene Software für seine Bilderwelten geschaffen: "Das ist weit einfacher in der Bedienung und zudem schneller", meint er. "Es ist die Kraft der Synchronizität von Licht, Ton und Bild, die schließlich den Theaterzauber ausmacht", so Fritz Fitzke weiter, und: "Dies geschehe selten, aber wenn, dann setze sie unglaubliche Energien frei. Diese Synchronizität suche und versuche ich in meiner Arbeit." Die Zeit, die es braucht große Projekte vorzubereiten, ist unterschiedlich lang. Von einer Woche bis zu einem Jahr dauern manche Vorbereitungen. Derzeit bereitet er sich auf sein erstes eigenes multimediales Projekt vor, das mit DJ Gümix in der Roten Bar im Volkstheater Wien seit September 2012 regelmäßig stattfindet. Weitere Künstler, die er schätzt und mit denen er ebenfalls eng zusammenarbeitet sind u.a. Lichttapete, die sich auf die Veränderung der Struktur von Wänden spezialisiert haben und Julia Starsky. Ihre Welten werden mit Worten sichtbar und unterstützt. Fritz Fitzke ist ein multimedialer Künstler, der nicht nur die Visualisierung perfekt beherrscht, sondern auch Grafiken herstellt, mit dem Schwerpunkt der digitalen Verfremdung fotografiert und selbst Musik macht.

Umfassendes Raum- und Multimediakonzept

Aber auch andere Rauminstallationskünstler bieten einen nicht zu unterschätzenden Nährboden für die Interaktion der Partygäste. So bietet zum Beispiel Andreas Gölltl alias Der lustige Astronaut ein umfassendes Raum- und Multimediakonzept für eine gesamte Veranstaltung. Seine Installationen bestehen aus Stoffbahnen, die deko-nachtsich in geometrischen Mustern über die Tanzfläche spannen. Oft nur weiß, um darauf wiederholt Videoinstallationen zu projizieren. Da er auch als einer der großen Veranstalter fungiert, z.B. vom Paradise Festival, weiß er, worauf es ankommt. Aus einem simplen Platz muss mehr werden. Der Raum soll grenzenlos sein, Illusionen und Fantasien müssen Platz haben. Die Interaktion der Gäste mit den Installationsobjekten soll stattfinden können. Er baut riesige Gebilde aus Draht und setzt diese je nach Bedarf am Rande der Tanzfläche ein, auch hier ein Wechsel der Farben und Bilder. Aber auch die Umgebung wird für die Projektionen herangezogen. So zeigt die Steilwand in Falkenstein plötzlich Gesichter aus Licht und Schatten, schemenhaft, so dass man als Betrachter nicht sicher sein kann, sind sie Illusionen, durch den Fels und das Licht der Tanzfläche entstanden, oder absichtlich gesetzt. Diese Effekte setzt Sikanda, ebenfalls ein namhafter VJ der österreichischen Szene. Andreas Gölltl sieht in der Fusion von Kunst und Entertainment in der Partyszene enormes Potential für das Publikum und sieht sich in der Rolle des Veranstalters als verbindendes Element. So findet man beispielsweise auf dem Festivalgelände von Paradise eine Kunst-Galerie. Diese nennt sich looney moon visions und wird von Marek Weitzen geführt. Er entscheidet, welche Künstler ihre Werke präsentieren. Die mobile Galerie reist im Sommer von Festival zu Festival. Seine Werke und die seiner Künstlerkollegen sind somit international ausgestellt und auf namhaften Festivals wie BOOM und Ozora zu finden. In diesem ungewöhnlichen Setting kann man die Werke nicht nur stundenlang in Ruhe betrachten, sondern sie vor Ort auch kaufen. Neben den üblichen in fluoreszierenden, fantastischen Gemälden und Grafiken, finden sich auch andere bemerkenswerte Arbeiten, wie beispielsweise die Zeichnungen von Subliquida. Er verbindet Formen der Natur grafisch und gestaltet sie neu, mit Bleistift in simplem Schwarz auf Weiß. Die beiden Bildhälften sind keinesfalls gänzlich symmetrisch, wie der erste Blick vermuten lässt. Denn wie in der Natur, ergeben sich kleine Unterschiede, die nur bei genauerer Betrachtung offensichtlich werden. "Zuerst ist das Blatt nur weiß oder schwarz, dann erzählen mir meine Gedanken nach und nach, was es werden soll und ich gestalte eine nur oberflächlich sichtbare Symmetrie aus Formen, wie sie in der Natur zu entdecken sind."

Geometrische Formen zur Gestaltung der Dekorationsbahnen

Der österreichische Maler und Visualist Michael Moser stellt hier ebenfalls aus. Er ist einer der aufstrebenden jungen Künstler der Szene. Nach einer grafischen Ausbildung begann er zu malen und stellt nicht nur in Weitzens Galerie seine außergewöhnlichen Bilder aus. Meist in Naturtönen gehalten, bieten seine sikandasurrealistischen Figuren viel Platz für Interpretation. Anders als viele seiner Kolleg/innen arbeitet er mit gedeckten Farben und runden Formen. Auch er gestaltet Festival- und Tanzflächendekorationen. Dies unter der Formation Darklines mit seinem Bruder Andreas. Seine Stoffe, die meist aus Gaze oder Lycra bestehen, werden nach grafischen Vorlagen geschnitten und schließlich verknüpft. Geometrische Formen sind ein wichtiges Element in der Gestaltung der Dekorationsbahnen. Meist in weiß, um Platz für die Projektionen und Bilder der Videokünstler zu schaffen. Manchmal aber auch bunt und fluoreszierend, im Schwarzlicht glühend, um auch im Dunkeln und dann im Tageslicht einen Blickfang für das Publikum zu bieten. Manches erscheint wie eine florale Landschaft. "Leider wird die Dekorationsherstellung immer noch nicht als eigene Kunst verstanden", meint er. Sie sei oft unterbezahlt, zu kurzfristig angefragt und ein Stiefkind der Partykultur. Seit sechs Jahren stellt er unterschiedliche Bahnen, Zelte und Dekomaterialien aus Stoff her. Diese verändern sich je nach Venue ständig, müssen auch wandelbar sein, je nach Einspielung der Videokünstler. Seine Kunden sind ebenfalls die "Großen", wie Frequency, Urban Art Forms und Paradise. Das sind nur einige von vielen Festivals im Sommer, für die er seine Dekorationsbahnen zusammensetzt. Auch er sieht seine Aufgabe darin, für das Publikum neue Erfahrungen zu schaffen, Emotionen und Illusionen zu generieren und den Raum zu verwandeln.

Neue Medienkunst

Der Begriff der Kunst für Dekorateure und VJs hat sich noch nicht durchgehend durchgesetzt, da Projektionskunst ja meist nur für den Moment geschaffen wird, oft nicht wiederholbar ist und in der Interaktion mitunter von der Laune des Publikums abhängt. Dennoch verdient das Zusammenspiel der Musik mit den Rauminstallationen, der Licht- und Projektionskunst, sowie der Flächeninstallationen den Begriff der Kunst. Da sie jeden Platz oder Raum in eine einmalige, momentane Erfahrung mehrsinnig erfahrbar machen und somit in etwas Neues verwandeln, die Musik des DJs oder der Musiker neu inszenieren und in ihren Bilderwelten dennoch wieder erkennbar bleiben, sind sie definitiv künstlerischer Ausdruck und reihen sich somit in die Sparte der neuen Medienkunst ein. (Text und Fotos: Anne Jan)

Der Artikel in voller Länge ist in der E-Zine-Ausgabe No 2 von Kulturwoche.at zu lesen.

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