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wpp09-westlicht1Zum mittlerweile 8. Mal in Folge macht die World Press Photo Station in der Wiener Fotogalerie WestLicht. Eine Bilderreise, auf der man das vergangene (Polit-)Jahr in plakativen und optisch aufgepeppten Fotografien Revue passieren lassen kann.




 

 

Schenkt man den Ausstellungsmachern Glauben, stellt die Story rund um die World Press Photo ein nicht enden wollendes Erfolgskonzept dar: Auch 2009 liegt im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 19,5 Prozent an für den Contest wpp09-giulio-di-sturcoeingesandtem Bildmaterial vor, die Marke der Bewerber stieg um beinahe 10 Prozent an. In Gesamtsummen ausgedrückt waren es 5.508 Fotojournalisten aus 124 Ländern, die sich mit insgesamt 96.268 Fotografien ins Rennen um einen der prestigeträchtigen Auszeichnungen begaben. Die anschließend weltweit tourende Wanderausstellung, in der die von der Jury befundenen "besten Pressefotos" des jeweiligen Vorjahres gezeigt werden, lockt mittlerweile etwa 2 Millionen Besucher rund um den Globus an. Tendenz: ebenfalls steigend.

Der synchrone Schuss von Foto und Gewehrkugel

Tendenziell wenige Erfolgsgeschichten stehen im Gegensatz dazu hinter den über diese Fotografien vermittelten Inhalten. Erinnert man sich zurück, findet wpp09-yasuyoshichiba_agencesich in Robert Capas Aufnahme von einem im Spanischen Bürgerkrieg fallenden Soldaten - in der Ausstellung vom chinesischen Fotojournalisten und Künstler Li Jiejun rezipiert - der Prototyp einer neuen Form von Kriegsfotografie, welche (abgesehen von der räumlichen Nähe zum Dargestellten) sich vor allem durch das Drücken des Auslösers im richtigen Moment auszeichnet - beispielsweise bei synchronem Schuss von Foto und Gewehrkugel.

Gewaltästhetik zieht immer

Derart gewaltlastige Fotografie gibt es somit freilich innerhalb der renommierten Ausstellung für Fotojournalismus genug zu sehen - Themen wie die Attentate in wpp09-luiz-vasconcelosMumbai im November des Vorjahres, die Bombardierung der georgischen Stadt Gori während des Konflikts um Südossetien, das schwere Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan mit beinahe 70.000 Toten im Mai 2008 oder die durch den Zyklon "Nagris" ausgelösten Überschwemmungen in Myanmar (Birma) mit noch einmal mehr als doppelt so vielen Opfern. Mit weniger Brutalität sind die Ecken versehen, in denen sich Bilder aus den Bereichen Natur, Kunst und Kultur, Porträt oder Sport wiederfinden; obschon es innerhalb letzterer Kategorie, etwa mit Howard Schatz' ironischen Vorher-Nachher-Fotografien von Profi-Boxkämpfern, auch nicht gänzlich unblutig zugeht.

Hommage an die Wirtschaftskrise

Das diesmalige Siegerfoto - wie könnte es auch anders sein? - setzt der gegenwärtigen Wirtswpp09-anthonysuau_timechaftskrise ein bildliches Denkmal: Ein auf dem schwarz-weiß Foto abgebildeter Polizist durchsucht mit gezogener Waffe inmitten von wild durcheinander geworfenen Einrichtungsgegenständen ein Gebäude nach Verbliebenen. Der amerikanische Fotograf Anthony Suau begleitete im März 2008 den Mann, welcher mit der Aufgabe betraut war, zwangsversteigerte Häuser in Cleveland, Ohio auf Hausbesetzer oder Plünderer zu kontrollieren. "Der Krieg in seinem klassischen Sinn dringt in die Häuser der Leute [...] weil sie ihre Raten nicht mehr bezahlen können", so MaryAnne Golon, Vorsitzende der Jury.

Abstumpfung hat Konjunktur

Was bleibt, nach dem Rundgang durch die Galerie, ist wohl die Nachdenklichkeit - nicht nur über die gezeigten Themengebiete an sich, nein, auch darüber, was die unzähligen Besucher davon mit Nachhause tragen werden. Nämlich in den meisten Fällen, ob unserer schon weit fortgeschrittenen Abstumpfung gegenüber Gewalt in Bildern: gar nichts. Ein beklemmendes Gefühl, sich diesem Katastrophen-Tourismus anzuschließen. Allzu sensiblen Gemütern (und Kleinkindern) sollte man jedenfalls von einem Besuch der Ausstellung abraten. (ne)

© Fotos: Anthony Suau (USA, Time), Olivier Laban Mattei (France, Agence France-Presse), Yasuyoshi Chiba (Japan, Agence France-Presse), Mashid Mohadjerin (Belgium, Reporters/Redux Pictures), Luiz Vasconcelos (Zuma Press), Giulio Di Sturco (Italy, Agenzia Grazia Neri)


Ausstellungs-Tipp:

World Press Photo 09
Bewertung: @@@
WestLicht
Westbahnstraße 42, 1070 Wien
Bis 29.11.2009
Öffnungszeiten: tägl. 11 - 19 Uhr, donnerstags 11 - 21 Uhr
Führungen (auf Anfrage): 01 / 522 66 36 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

FOTONACHWEISE:

@ World Press Photo des Jahres 2008
Anthony Suau, USA, für Time

Robert Kole, ein Polizist vom Cuyahoga County Sheriff Office, betritt am 26. März, nach einer Zwangsversteigerung und Räumung, ein Haus in Cleveland, Ohio. Er muss kontrollieren, ob die Besitzer das Haus verlassen haben, und ob keine Waffen zurückgeblieben sind. Die Polizisten arbeiten als Vorsichtsmaßnahme mit gezogener Waffe, da viele Häuser geplündert oder von Hausbesetzern oder Junkies besetzt worden sind.

@ 3. Preis Reportagen, Fotoserien
Olivier Laban Mattei, France, Agence France-Presse

Ein Mädchen rennt am 23. Mai an Büchern vorbei, die zum Trocknen in der
wpp09-olivierlabanmatteiSonne ausgebreitet sind, um von einem vorbeifahrenden Boot Lebensmittel zu bekommen. Der Zyklon Nargis erreichte am 2. Mai im Süden von Myanmar (Birma) das Festland, löschte ganze Dörfer aus und überschwemmte breite Landstriche. Dies war die schwerste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes.

@ 1. Preis Menschen in den Schlagzeilen, Einzelfotos
Yasuyoshi Chiba, Japan, Agence France-Presse

Mit Pfeil und Bogen kämpfen Massai-Krieger am 1. März gegen Mitglieder des Kalenjin-Stamms in der Trans-Mara Region in Westkeinia. Nach den umstrittenen Parlamentswahlen im Dezember 2007 flammten alte Feindschaften und Rivalitäten zwischen den Massai, Kalenjin und Kisii wieder auf.

@ 1.Preis Aktuelle Themen, Einzelfotos
Mashid Mohadjerin, Belgium, Reporters/Redux Pictures

wpp09-mashidmohadjerin_repoDie Küstenwache entdeckt ein Boot mit Einwanderern auf dem Weg zur italienischen Insel Lampedusa. Lampedusa liegt nahe der tunesischen Küste auf einer häufig genutzten Route für illegale Einwanderer, die aus Afrika nach Europa wollen.

@ 1. Preis Reportagen, Einzelfotos
Luiz Vasconcelos, Brazil, A Crítica/Zuma Press

Eine Frau stemmt sich gegen die polizeiliche Räumung von besetztem Privatgelände in der Nähe der Stadt Manaus, im brasilianischen Bundesstaats Amazonas. Die Familien, die auf dem Gelände lebten, hatten einige Tage zuvor den Räumungsbefehl erhalten.

@ 1. Preis Kunst und Kultur, Einzelfotos
Giulio Di Sturco, Italy, Agenzia Grazia Neri

Ein Model rennt während einer Show des Modehauses Gauri & Nainika aus Neu Delhi auf der indischen Modewoche in Delhi im Oktober hinter die Kulissen.