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375Einaktiges Minidrama mit Vorwort. Das Stück ist die Vorstellung eines in Vienna geschehnen Mordes. Ihr werdet gleich sehen, es ist ein spitzbübischer Handel. Aber was tuts?

Es geht um Literatur. Vielmehr: es vergeht die Literatur und alles wird hingenommen wie benommen. 375 Minuten weniger davon im Ö1. Was soll's, könnt' doch schlimmer kommen? Kommt schlimmer? Na ja, was kann man dagegen schon groß tun? Ist halt so. Eine Bedienungsanleitung zur Verbesserung der Lage gibt es nicht, und falls doch, diese sinnerfassend lesen zu können wird ja vielleicht mal Schulstoff, anstelle Literatur, natürlich. Also, was soll's. Die Ausgangslage ist klar, klarer könnte eine Ausgangslage gar nicht sein, und kann hier nachgelesen werden. Und jetzt Vorhang auf. Die Bühne betreten mehrere Personen, allesamt in Schweigen gehüllt. Ein Erster Redner taucht auf, er ist derjenige, der mehr Literatur verlangt, betritt den Raum und stellt sich in erhöhte Position. Rund um den Redner versammelt sich ein Gewölk an Leuchtfarben, ein Chor an Menschen halt, so wie sind, zum Zuhören verdammt, und jene, die in Schweigen gehüllt sind nehmen gesonderte Plätze ein. Und da! Zwei von ihnen lassen die Hüllen fallen, schweigen also in Folge nimmermehr.

Erster Redner: Es straft die Äußerung des ORF-Generaldirektors Lügen, Ö1 werde mit der Übersiedelung gestärkt, Ö1 wird skelettiert. Ö1 kommt als Kulturprogrammfahne ohne Kultur am Küniglberg an.

Zweiter Redner: Ihr solltet doch mehr gesunden Verstand beweisen und dies dem Arzte melden, denn wenn ich ihm eine Reinigung zumutete, das würde ihm vielleicht noch mehr Galle machen.

Dritter Redner: Dies ist bloß Eures Hirnes Ausgeburt; In solcher wesenlosen Schöpfung ist Der Wahnsinn sehr geübt.

Erster Redner: Die Literatur verliert auf Ö1 wöchentlich mehr als 93 Minuten bzw. im Monat 375 Minuten. Das Hörspielstudio wird aufgegeben und die Produktion mit dem Kunstradio zusammengelegt und damit das Hörspiel in seiner klassischen Form de facto abgeschafft. Weitere 125 Minuten gehen der Wissenschaft verloren.

Dritter Redner: Erlaubt mir! Hier steht das Wasser: gut; hier steht der Mensch: gut! - Wenn der Mensch zu diesem Wasser geht und sich selbst ertränkt, so bleibts dabei, er mag wollen oder nicht, daß er hingeht. Merkt Euch das! Aber wenn das Wasser zu ihm kommt und ihn ertränkt, so ertränkt er sich nicht selbst.

Erster Redner: Dieses Vorhaben ist dermaßen skandalös, dass es einem die Sprache verschlägt. Es gibt vorbehaltlos allen jenen recht, die in der Übersiedlung von Ö1 aus dem Funkhaus auf den Küniglberg das Ende von Ö1 befürchtet haben.

Zweiter Redner: Nein, nein, nein, so geht das nicht. Man muss pointiert formulieren, um auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen.

Erster Redner: Das bedeutet: Hörspiele werden auf kürzestem Weg vom ORF nicht mehr produziert, die Literatur darf etwas länger sterben.

Chor: Entsetzen ist in meiner Seel und innerlicher Zwist.

[Darauf schob der Mann im Mond mit einem Klicken sein Fernrohr zusammen, und sie machten sich wieder auf den Weg.]

Vorhang.

Text: Manfred Horak, Gerhard Ruiss, William Shakespeare (April 2015)