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Winnie-the-Pooh ist wieder zurück auf der Leinwand, diesmal als echt sprechendes Stofftier und mit ihm der erwachsene Christopher Robin auf der Suche nach seiner Kindheit. Kein dummer, alter Bär von sehr geringem Verstand, sondern ein Bär mit einem großen Herz sei Winnie-the-Pooh, erklärt Christopher Robin seinem Vertrauten aus Kindheitstagen im Laufe des Films - ein großes Herz, das viele Erwachsene in ihrem sogenannten Reifeprozess auf der Wegstrecke verlieren, ablegen, vergessen, verleugnen... - was auch immer. "Christopher Robin" ist im klassischen Sinne eigentlich kein Kinderfilm - und auch wenn zu Beginn im Zeitraffer einiges über die kindliche Beziehung zwischen Christopher Robin und seinen Stofftierfreunden erzählt wird bis hin zu seinem Erwachsenenleben, Familiengründung inklusive - man sollte zumindest einen Zeichentrickfilm (zuletzt "Heffalump", 2005, und "Winnie Puuh", 2011) von Winnie-the-Pooh gesehen oder Alan Alexander Milne gelesen haben (erstmals 1926 veröffentlicht), um diesen Film würdigen zu können. Während das Buch von A.A. Milne mit einer Abschiedsfeier endet, bei der indirekt klar wird, dass der Schulinternatseintritt Christopher Robins bevorsteht und er seine frühe Kindheit hinter sich lässt, setzt der Film die Geschichte gut zwei Jahrzehnte später nach dem Zweiten Weltkrieg an.

Christopher Robin hatte seine Stofftierfreunde Winnie-the-Pooh, Piglet, Tigger, Eeyore, und wie sie alle heißen ungewollt zurückgelassen, als er ins Internat kam, danach lernte er irgendwann seine spätere Frau kennen und während ihrer Schwangerschaft wurde er für die britische Armee rekrutiert. Als er aus dem Krieg zurück kam, war seine Tochter drei Jahre alt. Sein Humor und seine Fantasie sind an der Kriegsfront zurückgeblieben und er hatte das Gefühl immer mehr arbeiten zu müssen, damit Frau und Kind glücklich sind. Das ging so weit, bis ihn Burnout Syndrome einholten. Inmitten dieser existenziellen Krise taucht plötzlich - jedenfalls für Christopher Robin völlig unerwartet - Winnie-the-Pooh auf. In London. Auf einer Parkbank.

Ungewöhnliche Nahaufnahmen und grell-verschwommene Farben erinnern bisweilen an ein psychedelisches Kaleidoskop, und dass der Hundertsechzig-Morgen-Wald durch einen Baum hindurch begehbar ist, ähnelt freilich anderen fantastischen Zugängen in fiktive Welten - sei es "Der Zauberer von Oz" oder "Alice im Wunderland". Apropos: Manche Filmkritiken bemängelten, dass die Stofftiere in "Christopher Robin" sprechen können - sie sollten möglicherweise fortan dem fantastischen Filmgenre den Rücken kehren oder einfach wieder einmal mehr kindlich-naive Filme sehen. All jene, die sich daran nicht stoßen, und die Geschichten von Winnie-the-Pooh in guter Erinnerung haben, bzw. immer schon wissen wollten, was aus Christopher Robin wurde, ist der Film sehenswert. Mehr als das. Die knapp zwei Stunden erweisen sich nämlich als herzerwärmende Unterhaltung mit auf mehreren Ebenen erstaunlichen Kinomomenten, einem groß aufspielenden Ewan McGregor als Titelheld und einer gesellschaftspolitischen Pointe. //

Text: Manfred Horak
Abbildungen: Disney



Film-Info:
Christopher Robin
Bewertung: @@@@@
Disney (2018)
Regie Marc Forster
Drehbuch Alex Ross Perry, Tom McCarthy
Mit Ewan McGregor, Hayley Atwell, Bronte Carmichael uvm.