Von Österreich und der Aufarbeitung seiner Geschichte handelt die israelisch-österreichische Koproduktion "Das Testament" unter der Regie von Amichai Greenberg aus dem Jahr 2017.

Dr. Yoel Halberstam ist ein israelischer Holocaustforscher, der bei seinen Recherchen über die Massaker an jüdischen Zwangsarbeitern im fiktiven ungarisch-österreichischen Grenzort Lendsdorf entdeckt, dass er womöglich kein Jude ist. Dieser Klärung widmet sich der ganze Film. Die Suche nach Zeitzeugen oder Überlebenden wird in Interviews akribisch dokumentiert. Schließlich findet sich doch noch ein israelischer Überlebender. Dieser fürchtet allerdings, wie damals die Bevölkerung von Lendsdorf, Repressalien. Ohne Beweise für die angeblich 200 toten ungarischen Juden gibt es keine österreichische Genehmigung für Grabungen in Lendsdorf. Ein gut gehütetes selbstverfertigtes Gebetbuch der jüdischen Zwangsarbeiter, verfertigt aus diversen Papierresten, bringt schließlich den Durchbruch. Jetzt fehlt nur noch die Grabung in Österreich, doch diese scheitert. Die Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden über die vermeintliche Lage des Massengrabes gestaltet sich aus Sicht Halberstams abwehrend, als ob in Österreich die Nazis noch immer aktiv wären.

Filmtechnisch dienen die Drehorte als Metaphern für das aussichtslose Geschehen. Man sieht volle und leere Bibliotheksregale, unterirdische fensterlose vergitterte Arbeitsräume. Nach dem Filmbeginn gibt es erst nach etwa 15 Minuten Musik. Oft sind minutenlang nur Atemgeräusche zu hören. Intermezzoartig werden im Film Konflikte mit Mitarbeitern und Besuche bei einem Rabbi eingebaut. Schmerzhaft auch die Episode mit seinem Sohn, der sich auf die Bar Mizwa vorbereitet und Yoels Wissen um seine Religion belastet. Die zwischendurch eingebauten Interviewbeiträge mit Überlebenden zeigen stets die Hoffnungslosigkeit der Häftlinge im damals streng isolierten Lager auf: "Wer mich heiratet, der bekommt meine Lederschuhe". Trotz vieler Quellen und Einzelheiten scheint Yoel nicht voran zu kommen, wenn diese nicht zusammenpassen. Eine Woche geben ihm die österreichischen Behörden Zeit, einen Beweis für die Massaker zu liefern. Zum Ziel führt, dass Yoel erfährt, dass die Kirche des Ortes damals wo anders gestanden ist und daher die 1247 Schritte nördlich der Kirche von ihr zum Massengrab eine neue Grabung erforderlich macht.

Ori Pfeffer als Yoel Halberstam spielt stets mit ernster Miene. Seine Frustrationen verleihen dem Film viel Trägheit. Die Entfremdung zu seiner Familie zeigt ihn verbissen und unnahbar. Ob das mit dem Verlust seiner Identität zu tun hat, kann man vermuten. Der Filmtitel "Das Testament" gibt nicht genau wider, dass damit das von den Lagerinsassen selbstverfasste Gebetbuch gemeint ist, dessen Papierrest als corpus delicti alle Daten enthält, die der österreichischen Behörde als Beweis für die Existenz des Massakers dient. Die Aussage des Films ist allerdings auch deutlich an Österreich gerichtet, das mit der Aufarbeitung seiner Geschichte nicht vorankommt und es offensichtlich auch nicht will. //

Text: Gerhard Weißensteiner
Fotos: Gum-Films
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2018 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kleine Zeitung und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung.



Film-Info:
Das Testament
Bewertung: @@@@
Spielfilm, IL/AT 2017, 94 min, OmdU
Regie und Buch: Amichai Greenberg
Darsteller/innen: Ori Pfeffer, Rivka Gur, Hagit Dasberg Shamul, Ori Yaniv, Orna Rothberg, Daniel Adari
Kamera: Mishali Moshe
Schnitt: Gilad Inbar
Originalton: Klaus Kellermann, Alfred Tesler
Musik: Marnix Veenenbos, Walter W. Cikan
Produzent/innen: Yoav Roeh, Aurit Zamir, Sabine Moser, Oliver Neumann
Produktion: FreibeuterFilm
Koproduktion: Gum Films (IL)