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sharayetDer bewegende Kinofilm "Sharayet" beginnt mit Bildern einer völlig normal wirkenden Jugend. Zwei junge Frauen lachen zusammen, sie gehen auf Parties, sprayen Graffities und machen Kaugummiblasen. Doch schon bald wird deutlich, wie sich ihre Bedürfnisse nach freiem Leben und ihrer Lebensrealität widersprechen.

Atafeh (Nikohl Boosheri) hat Glück mit ihrer Familie. Sie kommt aus einem gebildeten Haus, die Eltern lieben sich und behandeln sich gegenseitig mit Zärtlichkeit und Respekt. "Irgendwann können wir alle zusammen baden", verspricht der Vater an einem heißen Tag am Meer, an dem die Frauen in langen Gewändern die Hitze ertragen müssen, während die Männer sich ausziehen und schwimmen gehen können. Musik spielt in diesem Haus eine große Rolle. Doch Atafehs großer Bruder Mehran sucht nach seiner Drogensucht Halt in traditionelleren Werten, er beginnt sich von der freien Haltung der Eltern abzuwenden, verweigert es mit ihnen Musik zu spielen. Die Wohnung von Atafehs Eltern ist ein freier Mikrokosmos, in den Mehrans Veränderungen bedrohlich einzudringen beginnen. Heimlich beobachtet er mit Kameras alles was im Haus geschieht. Blicke und die Beobachtung durch Überwachungskameras sind ein wichtiger Teil der Ästhetik dieses Films. Die Unfreiheit der jungen Frauen drängt sich damit bedrohlich in den Vordergrund. Auch Shireens (Sarah Kazemy) Eltern waren gebildete Menschen. Doch sie sind verschwunden und Shireen wird in der Schule als Aussätzige und Hure betrachtet, weil sie die Tochter regimekritischer Eltern ist.

Der erste Kuss von Shireen und Atafeh geschieht mehr nebenbei

Dass sich Shireen und Atafeh lieben ist beiden klar, sie brauchen es kaum auszusprechen. Doch ihre Begegnungen in der Realität bleiben scheu und zart. Sexuelle Freiheit und Selbstverständlichkeit erlauben sie sich nur in ihren Träumen, in denen sie in einem anderen Land sind, wo sie leben können, wie sie wollen. Diese sehr sinnlichen körperlichen Fantasien stehen im Kontrast zu der schamhaften Verhüllung ihrer Körper in ihrem Alltag in Teheran. Atafehs und Shireens Leben findet nur dann richtig statt, wenn sie niemand sieht. Dann ziehen sie sich sogar an einem kalten Tag aus und springen ins Meer. Doch diese Momente sind rar und werden im Laufe des Films immer weniger, denn der erst 16-jährigen Shireen bleibt nichts anderes übrig als Mehran zu heiraten. Die Beziehung von Shireen und Atafeh scheint durch diese Ehe so gut wie aufzuhören. Zwar leben sie nun in einem Haus miteinander, jedoch kommt es nur noch selten zu scheuen Blicken. Mehran greift so sehr in das Leben seiner Frau ein, dass er ihr sogar das Singen verbietet. Er verfügt über sie und ihren Körper, vergewaltigt sie sogar. In dieser männlich dominierten Welt kann Shireen auf einmal keinen Schritt mehr tun, ohne ihren Mann um Erlaubnis zu bitten. Atafeh träumt immer mehr davon aus dieser Welt zu fliehen, in der die Polizei sich für die Jungfräulichkeit von Frauen interessiert. Während Atafeh jedoch immer entschlossener wird frei zu leben, scheint Shireen ihre Träume zu verlieren. Atafeh kann ausbrechen, für sie gibt es eine Zukunft, doch sie lässt Shireen zurück. Der Anfang des Films ist voller sinnlicher Körperlichkeit. Detailverliebt werden Augen, Münder, Fingernägel und Haut von der Kamera nahezu liebkost. Doch die Ernüchterung, die die Liebe von Atafeh und Shireen einholt, tilgt auch diese Bilder. (Katharina Fischer)

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Film-Tipp:
Sharayet
USA/ Frankreich/ Iran 2010, 102 Minuten
Bewertung: @@@@@
Filmfestival identities 2013 

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Regie, Buch:
Maryam Keshavarz
Kamera: Brian Rigney Hubbard
Schnitt: Andrea Chignoli
Musik: Gingger Shankar
Produktion: Maryam Keshavarz, Karin Chien, Melissa M. Lee
Darsteller_innen: Nikohl Boosheri, Sarah Kazemy, Reza Sixo Safai, Soheil Parsa, Nasrin Pakkho