WUT von Elfriede Jelinek; Foto: Unpop

 Vier Engel mit gewaltigen schwarzen Flügeln stehen imposant auf der Theaterbühne, alle sind weiblich und tragen die klassische Haartolle von Elfriede Jelinek, Autorin des Stückes WUT.

Blinde WUT

Entstanden ist es als Reaktion auf die 2015 verübten Anschläge auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt, in dessen Folge 16 Zivilist/innen, 1 Polizist und alle 3 Attentäter starben. Elfriede Jelinek fragt nach der Entstehung von blinder Wut, die alle moralischen Grenzen überschreitet, nur noch schwarz und weiß erkennt und eine radikale ideologische Trennung zwischen Gut und Böse vornimmt. Dabei greift Elfriede Jelinek sowohl auf die griechische Mythologie mit Herakles, Pandora und Prometheus zurück als auch auf Antisemitismus und Nationalsozialismus oder auch Wutbürger des 21. Jahrhunderts und natürlich islamistische Terroristen. Und Elfriede Jelinek hinterfragt auch ihre eigene Wut.

WUT-Engel und Paradies

Engel gibt es als Nemesis in der griechischen Mythologie, im Juden- und Christentum ebenso wie im Islam. In den genannten Religionen sind sie sogar teilweise namensgleich. Sie sind Vollstrecker göttlicher Anweisungen oder selbst befugt über die Menschen zu richten. Es ist also eine kluge Entscheidung von Ausstatterin Caro Stark die vier Schauspielerinnen zuerst als Racheengel, quasi als autorisierte Anführerinnen der göttlichen Heerscharen, erscheinen zu lassen. Das zweite gewählte Bild ist ein von phallischen Wolken durchzogener Himmel, in den eine Treppe führt. Eine Assoziation mit dem Minbar, von der in der Moschee gepredigt wird und in Folge jedweder Kanzel von der herab Liebe oder auch Hass verbreitet wird, scheint legitim.

Blasse WUT

Regisseur Stephan Kasimir ordnet die von Elfriede Jelinek geschaffene Textfläche vier Protagonistinnen zu. Trotz starker Ausstattung mit düster-gewaltigen Flügel, schwarzen Kampfanzügen und Maschinengewehren bleibt es allerdings ein etwas flaches, statisches Reproduzieren der komplexen Jelinekschen Gedankengänge, unterbrochen von Videoprojektionen, einigen Gewehrsalven und kurzen Musikeinspielungen wie zum Beispiel "Halleluja" von Leonard Cohen. Diese ruhige Inszenierung erstaunt auch deshalb, weil UNPOP, das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, oft mit schrill-skurillen und temporeichen Aufführungen mitreißt und ist wohl dem Bemühen geschuldet, den reichlich vorhandenen Text im Vordergrund zu halten.

Elfriede Jelinek im Überfluss

Dem monologischen Gedankenfluss Jelineks durchgehend zu folgen ist schwierig. Auch weil WUT von den Protagonistinnen (Christina Scherrer, Katharina Haudum, Michaela Spänle, Maria Strauss) recht leise und recht reflektiert gesprochen wird. Die Zuschauer finden vier praktisch idente Jelineks mit typischem Makeup und Frisur vor, die keine unterscheidbaren Charaktere darstellen, an die emotional angedockt werden könnte. Die Autorin im bildlichen und textlichen Überfluss also. Für das Textliche dann doch ein Lob für die Schauspielerinnen.

Komplexität

Wut ist eine starke Emotion, die geschürt werden kann, indem narzisstische Kränkungen instrumentalisiert werden, folglich ist WUT ein komplexes Stück. Sich rächende Götter und Göttinnen, egal welcher Glaubensrichtung, verblendete Täter/innen, Mediatisierung von Greueltaten wie Enthauptungen und Attentaten im Netz und den klassischen Medien, Grenzen der freien Meinungsäußerung in Karikaturen oder Wut-Postings, die eigene Verantwortung im Gesamten, die Frage nach der Rechtmäßigkeit ein politisches Stück zu schreiben und welche Position Elfriede Jelinek dabei einnehmen soll, sind Thema. Ihre eigene Wut nutzt Elfriede Jelinek als Motor für das Schreiben und befürchtet damit die Wut anderer auf sich zu ziehen. Im Stück sagt sie dazu: "Meine Sprache ist meine Säule, auf die ich mich gestellt habe" und stößt sich dann gleich selbst herab. Gerne wäre ich für WUT entbrannt, wurde aber textflächig an die Wand gedrückt. //

Text: Ruth Kanamüller
Fotos: Unpop

WUT von Elfriede JelinekWUT von Elfriede Jelinek
Bewertung: @@@
Regie Stephan Kasimir
Ausstattung Caro Stark
Lichtdesign Matthias Zuggal
Grafik Lena Seeberger
Produktionsleitung Lisa Weiß
Es spielen Christina Scherrer, Katharina Haudum, Michaela Spänle und Maria Strauss
Kritik zur Premiere am 4. September 2019 im Kulturhaus Dornbirn