die-wette-001Eine verschworene Clique wähnt sich mitschuldig am mysteriösen und verstörenden Tod ihres Freundes Felix im eisigen See. - So, als wilde Geschichte eines Kindheitstraumas, beginnt das Theaterstück "Die Wette" des jungen österreichischen Autors Benedikt Thill unter der Regie von Corinne Eckenstein.

Die Vertreibung aus dem Paradies

Alle gehen ihrer Wege, über Jahre, versuchen mit mehr oder weniger großer Störung ihr Leben zu entwickeln, wobei sie der verdrängte Schatten des verlorenen Freundes oft begleitet. Bei einem Treffen der Freunde viele Jahre danach häufen sich auf einmal die Hinweise, Felix könnte noch am Leben sein. Oder erlaubt sich hier jemand einen makabren Scherz?

Existenzielle Verstörungen im Gewand eines Musical-Thrillers

die-wette-002Regisseurin Corinne Eckenstein schafft es, aus einer der Zielgruppe sehr naheliegenden Mystery-Konstruktion grundlegende Fragen, nämlich wie ein 'Leben in totaler Freiheit' zunächst gewünscht und dann erlebt werden kann, in ein packendes, rasantes und vor allem hochmusikalisches Stück zu inszenieren. In der Form oftmals durchbrochen mit Erzählpassagen und Liedern (fetzige Rock- und Popsongs komponiert von Sue-Alice Okukubo) gelingt es in "Die Wette" dennoch, das Publikum in die verstörende Geschichte mit all ihren überraschenden und verblüffenden Ecken und Wendungen hineinzuziehen. Und Geschichten, sowie die menschliche Schicksale, die sich darin verweben, sind die wohltuende, berührende Ausnahme der sonst im deutschsprachigen Sprechtheater so beliebten pseudointellektuellen Berufsverfremdungen. Die Musik und der mit großer Freude gebrachte Gesang der SchauspielerInnen trägt wesentlich dazu bei, das Publikum bei aller Verstörung auch im besten Sinne zu unterhalten. Es ist zu wünschen, dass die hochsubventionierten sogenannten Wiener Musical Bühnen auch einmal eine derartige Fülle von Spielvermögen und musikalischem Pepp auf ihren Megabühnen zeigen.

Eine Ästhetik zwischen kühler Distanz und saftiger Begeisterung

die-wette-004Die Bühne von Andreas Pamperl macht aus zersägten Autoteilen eine weitgehend kühle, multifunktionelle Spielwelt einer verlorerenen Kindheit. Die witzigen, fröhlichen Kostüme von Ulli Nö und die emotionale Musik bilden damit ein reizvolles Spannungsfeld, in denen sich das energetisch und lustvoll agierende Ensemble freudig austoben kann. Und das tun die fünf DarstellerInnen aus ganzem Herzen, dass es eine Freud ist. Manuel Löwensberg gibt faszinierend beschwingt den geschleckten Superreichen zwischen seicht blasierter Überheblichkeit und geerbtem Dachschaden. Richard Schmetterer erntet große Begeisterung mit seinem Fleischhacker-Prolo, der sensible Seiten hat, von der Weltrevolution träumt und nicht nur das in starke Rocksongs hinaussingt. Alexandra Ava Koch, eine fragile, blonde Beauty, die, von allen unterschätzt, letztlich eine raffinierte Trumpfkarte spielt. Yap Sun Sun gefällt als Kaugummigöre aus dem Amiland, die mit einem unheimlichen Stimmtimbre aufzeigt. Und Helge Salnikau eröffnet mit den banalen Worten "Licht, bitte!" einen fulminanten Reigen der Darstellungskunst; hochpräsent, witzig, in den entscheidenden Passagen auch weich und verletzlich, und einmal mehr in diesem Ensemble: toll im Gesang. Wenn sich Kritikpunkte im Bereich Tontechnik oder einzelnen Sprachpassagen ergaben, so konnten diese nicht im geringsten den Gesamteindruck des Abends schmälern: Freude mit Tiefgang, Spaß mit Verstörung, Musical mit Thriller, und das alles gepackt in eine überraschende Geschichte. Kurz: Let's Fetz! (Text: Tristan Jorde; Fotos: Rainer Berson)

die-wette-003Kurz-Infos:
Die Wette
Bewertung: @@@@@
Altersempfehlung: 15+
Kritik von Tristan Jorde zur Premiere am 17.11.2011 im Dschungel Wien

Autor: Benedict Thill
Regie, Konzept: Corinne Eckenstein
Produktion: Theater Foxfire
Komposition, musikalische Leitung: Sue-Alice Okukubo

 Bühne: Andreas Pamperl
Kostüme: Ulli Nö
Video: Rainer Berson
Assistenz, Dramaturgie: Cornelius Edlefsen
Lichtdesign: Hannes Röbisch (Dschungel Wien)
DarstellerInnen: Manuel Lö
wensberg/Cornelius Edlefsen, Helge Salnikau, Richard Schmetterer, Alexandra Ava Koch, Yap Sun Sun