power-to-hurt01"Power to Hurt" feierte am 11.11.2010 als letztes Stück der Herbstreihe "Monströs" im Salon5 Premiere. Der rockig düstere Theaterabend ist eine sinnliche Mischung aus Schauspiel und Musik. Anhand von Shakespeares Texten erzählen die Künstler Christian Mair und Raphael von Bargen Geschichten vom verletzt werden und der Macht zu verletzen.

"Power to Hurt" ist ein Stück für alle Sinne. Das Publikum wird in die Tiefen des Salon5 hinab geführt, in dessen "Abgründe". Schon auf der Treppe schlägt die Kälte zu und in den Gewölben empfängt einen ein modriger Geruch, der sich pelzig auf den Atem legt. Der Raum, in dem die Vorstellung stattfindet, ist klein und die Zuschauer befinden sich sehr nah am Geschehen. Vor dem eigentlichen Hauptteil von "Power to Hurt" steht ein Vorspiel. Gespielt wird es von vier Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren, die am "Jungen Salon" teilnehmen und ihre ganz eigene Szenencollage zu Shakespeares Stücken "Richard II" und "Richard III" choreographiert haben. Auf dem Boden liegend schälen die jungen Darstellerinnen sich aus Müllsäcken hervor, wie Leichen, die zum Leben erwachen. Gekleidet in die Überreste der Müllsäcke sprechen sie Textausschnitte aus den beiden Stücken. Mal wiederholen sie einander, mal sprechen sie chorisch. Dieses beeindruckende Vorspiel des "Jungen Salons" ist die ideale Einleitung für die folgende Performance.

Liebe, die vorbei ist sobald sie begonnen hat

Aus Texten der Stücke "Richard II" und "Richard III" und einiger Shakespeare Sonetten setzt sich "Power to Hurt" zusammen. Die Performance beginnt und endet mit einem Lied zu Shakespeares Sonett 94 "They that have power to hurt, and will do none, that do not do the thing they most do show...", das den Abend einrahmt. In diesem musikalischen Stück geht es um Menschen, die verletzt sind und deshalb Schmerz zufügen. Auch handelt es von Verrat und von der Macht, die das Verletzen anderer erst möglich macht. Und es geht auch um Liebe, die vorbei ist sobald sie begonnen hat und um Sex in ehrlichen und direkten Worten. Die Mischung aus Shakespeares Texten, Filmen und Musik ergreift die Zuschauer mit großer Kraft, sie wogt über das Publikum hinweg und hat in diesem kleinen intimen Kellergewölbe die Macht es zu berühren und es erschauern zu lassen. Auf der Bühne sind zwei große Leinwände gespannt, auf die Filme und Textstellen aus den Stücken und Sonetten Shakespeares projiziert werden. Auf dem Boden häuft sich Laub, das von den Bäumen abgestoßen wurde, wie Shakespeares Figuren von ihrer Umgebung.

Und ewig lockt der Schauspieler derb wollüstig

Christian Mair, der die Lieder komponiert hat, hält sich im Hintergrund. Er spielt die E-Gitarre. Raphael von Bargen singt die Texte aus den Stücken Shakespeares zu der von Mair komponierten Musik. Seine Stimme dröhnt, leidet, lockt, faucht und säuselt durch den düsteren Raum. Mal windet er sich wie unter Schmerzen, presst donnergewaltig seine Stimme hervor. Immer wieder hält er sich fest, wie um nicht umzufallen. Besonders die Körperlichkeit des Richard III bringt er in die Lieder über Verletzungen und Verrat ein. Richard III, der verkrüppelt geboren wird, vom Anfang seines Lebens an Verletzungen erfährt. Sobald er Macht erhält, verletzt auch er. Dann wieder lockt der Schauspieler derb wollüstig zu Shakespeares Zeilen "Roses are red...", die für eines der Lieder von den Künstlern in einen völlig neuen Textrahmen eingefügt wurden. Auch die Filme, die die Lieder auf den Leinwänden begleiten, handeln von Macht und Gewaltausübung. Mit sehr reduzierten und dadurch sehr starken Bildern erzählen diese Filme die Geschichten der Texte und Töne mit. Es ist die Macht des Meeres, dessen Wellen perfekt vom Gitarrensound begleitet heranrollen oder nach einem Felsen gieren. In einem anderen Film ist es die Macht des Windes, der die Blumen in Bewegung bringt, jedoch auch das monströse Rad der Windmühle dreht. Eine sich schließende und öffnende Faust in einem Lederhandschuh symbolisiert Verrat und Gewalt. Die Handlung einiger der Filme findet auf einem jüdischen Friedhof statt, der tief in Herbstfarben und Laub getaucht ist. Neben von Bargen spielen in diesen Filmen auch die Mädchen aus dem "Jungen Salon" mit. "Power to Hurt" ist eine Mischung aus Text, Musik und Schauspiel, die jeden für Shakespeares Texte begeistern können und vielleicht sogar in manchem ein ganz neues Interesse an Shakespeares Sonetten zu wecken vermögen. Ein rockiger Hochgenuss, nicht nur für Shakespeare Begeisterte. (Text: Katharina Fischer; Fotos: Salon5)

power-to-hurt-2Kurz-Infos:
Power to Hurt - ein szenisch-musikalischer Trip nach William Shakespeare
Kritik zur Premiere am 11. 11. 2010 im Salon 5
Bewertung: @@
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Dramaturgie und Regie: Viktorie Knotková und Anna Maria Krassnigg
Mit: Raphael von Bargen und Christian Mair
Musik: Saucybark
Raum und Licht: Andreas Lungenschmid
Kostüme: Antoaneta Stereva