richardii-burgtheaterIn der Neuübersetzung von Thomas Brasch, adaptiert für das Wiener Burgtheater, findet unter der Regie von Claus Peymann das große Zaudern in Richard II. statt. Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht Sprache.

Ich war also gespannt. Die Kritiken von unseren Kollegen aus den Boulevard- und nicht ganz so arg Boulevard-Medien überschlugen sich förmlich in Begeisterung. Eine Herde großer Namen tummelte sich vor und hinter der Bühne, ein großer Autor, ein zumindest architektonisch großes Haus - da konnte also fast nix schief gehen.

Im Stück sollten Machtmissbrauch, halbfreiwilliger Rücktritt, Machtintrige und fehlende Führungsqualitäten gezeigt werden. Der wankelmütige Regent Richard verspielt sein Land am absteigenden Ast seiner Karriere, während rund um ihn schon alle in den Startlöchern scharren, um fürderhin dem aufsteigenden neuen Politstar Bolingbroke zu dienen. Durchaus aktuell, der Stoff. Durchaus zeitlos. Und in dem schönen Bühnenbild von Achim Freyer, den knalligen Kostümen, die passend (bis auf das isolierte und mäßig originelle "Clockwork Orange"- Zitat) auf der Höhe der Zeit sind, läuft ja eine zeitlang alles ganz nett. Mit dem Verlauf des Stücks wird jedoch immer klarer, dass sich hier zwar ein Haufen Schauspieler durchaus abrackert, aber der große leitende Gedanke (Warum mach ich das? Was will ich damit?) in dem Stück bleibt hölzern, unbeholfen und unklar. Das Dramatische im Drama wird hintan gehalten.

Warum Richard jetzt der große wankelmütige, sorglose erste Spieler seines Landes sein soll, warum sich Unmut häuft bei seinen Untertanen, warum die Loyalität abbröckelt, was ihn denn zum Rachefeldzug nach Irland treibt, warum man ihn denn überhaupt als König akzeptiert in einer Ära der mächtigen Regionalfürsten, all das lässt die Fassung des Berliner Ensembles aus dem Jahr 2000 (angeblich „generalüberholt“ für Wien) völlig offen. Motivationen werden platt übergangen, im Zweifelsfall regiert die verbale Behauptung. Viel wird geredet, selten die Sprache der neuen, gelungenen Übersetzung genutzt. Und so springt dieser Richard von Szene zu Szene, wie in einer Collage, ohne stringente, treibende Kraft. Auch dieser Sichtweise wäre noch dramaturgisch etwas abzugewinnen, wenn nicht an anderen Ecken wieder Geschichte und Handlung angedeutet würden, das Narrative erschöpft sich dabei aber weitgehend im flapsigen Plauderton.

Ich zauderte dabei. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Dieses Gefühl beschlich mich zu Beginn und ließ mich während der gesamten Aufführung nicht mehr los. Und auch der von den Wienern wieder einmal als "Theaterstar" hochgejubelte Michael Maertens schaffte es überhaupt nicht, dieser zwiespältigen, zaudernden Figur Leben einzuhauchen. Auch bei ihm blieb nur Rede und Behauptung. Seine Triebkräfte, seine Emotionen, sein Scheitern dümpeln an der Oberfläche dahin. Offenbar wird schon der rasche Wechsel von schreiender und flüsternder Rede - an sich eher eine Aufwärmübung - von einigen Bewunderern mit Wandlungsfähigkeit und Facettenreichtum verwechselt. Und elementare Kenntnisse der Englischen Aussprache dürfte man in einer Shakespeare Rolle auch von ihm erwarten, aber so blieb mir ein mehrfach überdeutsch gesprochenes "Norßumberland" (sic!) leider nicht erspart.

Lediglich Veit Schubert schafft es an diesem Abend absolut glaubhaft und berührend, schlüssig und detailreich den ebenfalls zaudernden Kontrahenten Bolingbroke so auf die Bühne zu bringen, dass gepackt, gespannt und mitgerissen zugesehen wird. Das war wirklich gutes Schauspiel. Maria Happel verschleudert ihre Fähigkeiten (die kurz bei der Herzogin von Gloster aufblitzen) in der x-ten Wiederholung der Ulk-Nummer, für die man sie im Haus am Ring unseligerweise gepachtet zu haben scheint. Grundsätzlich gute Darsteller, wie Johannes Krisch, Martin Schwab oder Dorothee Hartinger werden an diesem Abend ein Opfer der sich nicht entscheidenden, wirr hüpfenden und stets im Unklaren zwischen Karikatur (zwischendurch berlinert da ein englischer Lord munter drauf los) und Tragödie (Verlust? Intrige? Mord? Angst?) verweilenden, und, ja, eben zaudernden Inszenierung.

Obwohl viel passiert, passiert nix

Sogar die Shakespeare-übliche Klamauk Szene wirkt seltsam deplatziert und isoliert. Nasse Zuschauer im Parkett und Gatsch auf der Bühne. Dann wird noch gegen Ende die Bühne endgültig eingesaut, auch scheinbar unvermeidlich. Der Ramsch bleibt liegen, egal wo die Handlung hinführt, weil der Verfall scheinbar sonst nicht anders wahrnehmbar wird. Jedenfalls in dieser Deutung von Claus Peymann, der einmal in früheren Jahren Theatersternstunden geschaffen hat, auch im Haus am Ring. Gezaubert hat, nicht gezaudert. Am Schluss dieses „Richard“ bleibt betroffen die Einsicht: zündet nicht, funktioniert nicht, berührt nicht, bewegt nicht. Schade drum. (Text: Tantris; Fotos: Georg Soulek, Reinhard Werner; beide Burgtheater)

Kurz-Infos:
Richard II.
Bewertung: @@@
William Shakespeare in der Neuübersetzung von Thomas Brasch, Gastproduktion des Berliner Ensembles in einer Adaption für das Wiener Burgtheater
Kritik zur Vorstellung vom 13.2.2010

Regie: Claus Peymann
Bühnenbild: Achim Freyer
Kostüme: Maria-Elena Amos
Dramaturgie: Jutta Ferbers

Mit: Maria Happel, Martin Schwab, Veit Schubert, Michael Maertens, Dorothee Hartinger, Johannes Krisch, Markus Meyer, Hans Dieter Knebel, Gerrit Jansen, Daniel Jesch, Manfred Karge, Klaus Pohl

  • richard2-01
  • richard2-02
  • richard2-03
  • richard2-04
  • richard2-05
  • richard2-06
  • richard2-07
  • richard2-08
  • richard2-09
  • richard2-10
  • richard2-12
  • richard2-13
  • richard2-14
  • richard2-15
  • richard2-16
  • richard2-17
  • richard2-18
  • richard2-19
  • richard2-20