Das Portraittheater bringt in ihrer dritten Produktion erneut eine enorm wichtige historische Persönlichkeit auf die Bühne - nach Hannah Arendt (2006) und Simone de Beauvoir (2008) wird in "Peace Please!" an die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner erinnert.
So (scheinbar) einfach und so (außergewöhnlich) gut kann Theater sein. Wozu große Bühnenbilder und überhebliche Produktionen, die zwar viel Geld zur Verfügung haben, aber leider nur wenig brauchbare Ideen? "Peace Please!" kommt mit sehr wenig aus, ist aber dennoch ganz großes Theater und bietet einen Triumph der Gefühle, dank Kraft der klugen Zitatauswahl aus dem reichhaltigen Textfundus von Bertha von Suttner, und dank der großartigen Schauspielerleistung von Anita Zieher, die es weder an Glaubwürdigkeit noch an Prägnanz fehlte - mit ihr schließlich steht und fällt das Stück. In der Inszenierung von Brigitte Pointner spricht Bertha von Suttner in einem fiktiven Radio-Interview mit dem Ö1-Journalisten Udo Bachmair über ihr Engagement für den Frieden und gegen den Antisemitismus, über die Stellung der Frau in der Gesellschaft sowie über gegenwärtige Friedensarbeit. Um das quasi nicht vorhandene Bühnenbild zu kaschieren werden zwischendurch Filmaufnahmen gezeigt. Einerseits historisches Filmmaterial, nämlich Originalszenen aus der dänischen Verfilmung ihres Romans "Lay down your arms" ("Die Waffen nieder!"; 1914) - übrigens dem einzigen Filmdokument von Bertha von Suttner. Andererseits Filmszenen, in denen Bertha von Suttner, eben in der Person von Anita Zieher, in die Gegenwart transformiert wurde, und z.B. bei der Friedensbrücke (Natürlich! Wo sonst?) in die U4 einsteigt.
Darum aber ist eine Idee noch lange keine Utopie
Filmsequenzen wie diese machen durchaus Sinn, denn aktuell sind die Texte und Reden von der politisch engagierten Aktivistin heute noch. Bertha von Suttner prangerte zeitlebens antisemitische bzw. fremdenfeindliche Aussagen von Politikern an, wie sie heute noch in der bisweilen knietiefen Innenpolitik und in widerlichen Polit-Slogans wie "Abendland in Christenhand" vorkommen. Ja, Bertha von Suttner war freilich auch eine Visionärin mit ausgereiften Ideen, Stichwort EU und UNO - folgerichtig sagte sie daher auch einmal, "Darum aber ist eine Idee noch lange keine Utopie". Kein Wunder also, dass ihr zu Ehren sogar ein Asteroid im Asteroidengürtel nach ihr benannt wurde - "12799 von Suttner". Sie unterstützte im Jahr 1899 auch vehement die Errichtung des Haager Tribunals und sie war Gründerin der Österreichischen Friedensgesellschaft, aber sie wusste auch von den nachfolgenden düsteren Jahren Bescheid, die sie nicht mehr erleben sollte, als sie sagte: "Der nächste Krieg wird von einer Furchtbarkeit sein wie noch keiner seiner Vorgänger." Und tatsächlich, am 21. Juni 1914 stirbt die 1843 geborene Pazifistin in Wien an einem Krebsleiden - das Erleben des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs blieb ihr erspart. In "Peace Please! Ein Bertha von Suttner-Journal" wird über all dies im Frage-Antwort-Spiel gesprochen - in unkonventioneller wie Herz erwärmender, leidenschaftlicher Manier und mit einer in ihrer Rolle aufgehenden Anita Zieher, die mit Sprache und Mimik einfach großartiges leistet. Was das Publikum übrigens noch erfahren durfte war, dass in Wien eine Sackgasse nach ihr benannt ist. Irgendwie typisch für Wien. Eine Sackgasse für Frieden und Toleranz, im Gegensatz dazu ein Teil des Wiener Rings für den antisemitischen Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger (1844 - 1910) zu dessen Bewunderern Adolf Hitler zählte, der Lueger als "den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten" bezeichnete [nachzulesen in der Hitler-Biografie von Ian Kershaw; Anm.]. Nun ja - was jedenfalls bleibt ist die Erinnerung an einen besonders wertvollen Theaterabend. (Text: Manfred Horak; Fotos: Armin Bardel)
Kurz-Infos:
PEACE PLEASE! Ein Bertha von Suttner Journal
Bewertung: @@@@@@
Kritik zur Aufführung am 25. 9. 2009 im
Theater Drachengasse
Produktion: portraittheater
Regie: Brigitte Pointner
Schauspielerin: Anita Zieher
Radiosprecher: Udo Bachmair, Ö1
Texte: Originalzitate von Bertha von Suttner, sowie Texte von Brigitte Pointner und Anita Zieher
Video: Lisa Kortschak
Visuals: Claudia Auer
Musik: Elisabeth Lohninger