Eine Gesamtraumchoreografie für Zuschauer und Akteure aus der Serie Tragödienproduzenten von theatercombinat in der Inszenierung von Claudia Bosse. So kann man die Premiere von "coriolan review" nach Shakespeare in der ehemaligen Ankerbrotfabrik kürzest möglich umschreiben. Es geht aber auch länger. Versprochen.
Step out aus Rom, oder: des Kaisers neue Kleider jetzt bei Ankerbrot
Und alles fing so gut an. Eine Fußexpedition ins ferne, geheimnisvolle Favoriten. Durch die Alleen der zweifellos unterschätzten Puchsbaumgasse bis zu den endlich sich bedeutungsschwanger aufrichtenden Silhouetten der alten Ankerbrotfabrik. Freundliche Menschen empfingen mich. Ich stand staunend vor den riesigen, nun leerstehenden Hallen dieser industrialisierten Nahrungsquelle Wiens. Und dann wurde auch schon das Publikum in zwei Gruppen (Patrizier / Plebejer) eingelassen. Drinnen: Eine hektische Menschengruppe geht klackend mit Stepschuhen durch eine überdimensionale Halle und hallt. Spannend, dachte ich. Die ersten fünf Minuten lang.
Regie ist, wenn man trotzdem spielt
Dann wurde mir mehr und mehr klar, dass ich in die Bedeutungsfalle getappt war. "Coriolan" stand ja als Titel darüber und Shakespeare an sich ist so gut, dass er meist nicht einmal von ambitionierten Abgänger/innen diverser Regietheaterbrutstätten abgenutzt werden kann. Aber im Verlauf der Darbietung blieb good old William keine andere Wahl. Dem feindlichen Heer der Volsker gleich (die hier bei Ankerbrot französeln, was manche Römer/innen auch sofort nachzuahmen wissen und deshalb gleich mehrfach deplatziert wirkt), musste Willy ob der geballten Länge und Leere des Abends kapitulieren. Regie ist, wenn man trotzdem spielt. Also mühen sich Chor und Akteur/innen (in farbigen Motorradoveralls - wie sinnig!) fleißig ab, klacken, hallen, schwingen Arme und laufen lange Wege durch eine große (erwähnte ich das schon?) Halle. Und einige "deklamieren" dazu Texte des armen Shakespeare, der sich nicht mehr wehren kann. Dabei sind die auserwählten Deklamateur/innen sprachlich und stimmlich gelinde gesagt nicht auf der Höhe und verwechseln brüllen mit Intensität. Der verfremdete Sprachstil sorgt zusätzlich zielsicher dafür, dass ja keine Identifikation mit Stück, Geschichte oder handelnden Charakteren aufkommt. Und dem Beipackzettel dieser beinahe theatralen Medizin für Langmut entnehme ich dann ja auch, dass heute Abend lediglich "Codes verhandelt" werden, also keine Angst, es gibt kein Stück.
Nackt, lang und fad
Coriolan wird dann auch noch zum Rumpelstilzchen, zuckt unmotiviert nackt über Boden und Laufsteg (gebaut aus Europaletten der österreichischen, ungarischen und spanischen Staatsbahnen - was einem alles so auffällt, wenn sich ein Abend dehnt) und friert vermutlich erbärmlich die volle letzte dreiviertel Stunde. Am Schluss bleiben alle regungslos stehen, aber das Publikum weiß nicht so recht, ob wegen der bereits erlebten, zahlreich eingestreuten Kunstpausen während der "Verhandlung" jetzt noch was kommt oder nicht. Es kommt nicht. Also doch Applaus. Wäre diese "Review" auf eine Stunde komprimiert, könnte vielleicht die Summe der Bilder und Situationen noch Ansätze von Theatralem aufkommen lassen. Drei Stunden lang die Behauptung aufzustellen, die Produktion hätte etwas zu sagen, grenzt an maßlose, künstlerische Selbstüberschätzung. Das Kulturamt fand es förderungswert, die Tageszeitung Der Standard fand es beachtlich. Ich fand das Ambiente toll. Sonst fielen mir an diesem Abend nur spontan-assoziativ des Ankerbrot-Kaisers neue Kleider ein. Diese Performance über Shakespeares "Coriolan" war aber so etwas von überhaupt nicht in schillernde, neue Kleider gepackt. Sie war einfach nur nackt. Und lang. Und fad. (Text: Tantris; Fotos: Lorant Racz)
Infos zum Stück:
Bewertung: @
Coriolan Review nach William Shakespeare
in der ehemaligen Ankerbrotfabrik
Puchsbaumgasse 1, nach Ecke Absberggasse
1100 Wien
theatercombinat
Inszenierung: Claudia Bosse