Die Notwendigkeit eines Großartigen beweisen die nun erschienen CDs von Gulda. Endlich, möchte man fast sagen, wird einem der wichtigsten und innovativsten Musiker der Alpenrepublik gehuldigt. Friedrich Gulda, dem Enfant Terrible des Klaviers. Friedrich Gulda der zwei Tode starb. Friedrich Gulda der wie kaum ein Zweiter den Spagat zwischen Klassik, im speziellen Mozart, und dem Jazz schaffte.

Jazz und Klassik im Einklang

Zeit seines Lebens war Friedrich Gulda ein Neuerer, bisweilen war der "Fritz" auch ein Außenseiter, einer dessen Schaffen sowohl die Klassik- als auch die Jazzfraktion zutiefst spaltete und verstörte. Auf der einen Seite standen die Hardcore Jazzer, auf der anderen Seite standen die Anbeter der reinen Klassik. Und dann tauchte Friedrich Gulda auf und zeigte den beiden Gruppen wie es sein kann wenn ein nun bereits ausgereiftes musikalisches Wunderkind beides vermengt. Den Begriff "Crossover" gab es damals noch nicht.
Nahezu spielerisch schafft Friedrich Gulda es, die Ton- und Formensprache des Jazz mit jener der Klassik in Einklang zu bringen. Nachzuhören auf "Concertino for Player and Singers".

Die erfüllte Lebensmitte

"Midlife Harvest" erschien bereits 1973, damals waren es 9 (!) Langspielplatten und die Auflage war mit 2.000 Stück streng limitiert. Gulda präsentierte auf dieser Sammlung die Ernte seines "halben Lebens" und er konnte zu dieser Zeit bereits reichlich viel präsentieren. Heuer wäre Gulda 75 Jahre alt geworden und er würde sicher mit der ihm angeborenen Selbstsicherheit die "Ernte eines ganzen Lebens" präsentieren; dem ist aber leider nicht so. Wir müssen uns mit der Ernte seiner Lebensmitte begnügen, die aber klingt heute noch genauso frisch und innovativ wie zur Zeit ihres Entstehens. In vielen Momenten war Gulda der Erfinder neuer Formensprachen, er war der Erste der einen Chor auf Silben singen ließ, eine Technik, die später von den "Swingle Singers" übernommen und kommerzialisiert wurde.
In amerikanischen Musikerkreisen wurde der (gelungene) Versuch Guldas, Jazz und Klassik zu synchronisieren, begeistert aufgenommen. Da aber der Prophet im eigenen Lande bekannterweise nicht viel zählt wurden seine Arbeiten hierzulande erst verspätet wahrgenommen, dann aber schlugen seine Ideen mit voller Gewalt ein.

Unbequem und Weltberühmt

Gulda war immer ein Unbequemer, einer der sich nicht scheute, mit seinen Ideen immer und überall anzuecken. Als der Jazz immer mehr in die Gedanken und Gefühlswelt des "Klassikers" Einzug hielt und er in der Umsetzung seiner musikalischen Ideen immer radikaler wurde, als er seine Zusammenarbeit mit Paul und Limpe Fuchs begann - auch hier ist ein sehr schönes Beispiel der Zusammenarbeit auf der CD zu finden - wandten sich viele seiner Adepten und Fans von ihm ab um Jahre später mit übergroßer Begeisterung wieder zu ihm zurückzukehren. Die Zeit heilte so manches Unverständnis für den Einzigartigen.
Die Liste seiner musikalischen Weggefährten ist schier grenzenlos, stellvertretend für alle seien hier nur Fritz Pauer, Manfred Josel, Jimmy Woode, Albert Heath, Fatty George und Ron Carter erwähnt.
Auch viele Jahre nach der Ersterscheinung ist "Midlife Harvest" ein unverzichtbares Stück Musik eines Großartigen. //

Text: Alfred Krondraf
Foto: Universal

Friedrich Gulda: Midlife Harvest (5 CDs)
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: MPS/Universal (2005; Erstveröffentlichung 1973 auf 9 LPs)