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erke-duit-gegenstimmenDie Camerata Wien und der Chor Gegenstimmen brachten mit "Gemmadann" unter der Regie von Alfred Komarek und dem Komponisten und Dirigenten Erke Duit eine Symphonische Kantate über die Arbeiter von Wien am 14.6.2012 im Konzerthaus Wien zur Uraufführung.

Sie waren die Arbeiter von Wien

Politisch engagierte Chorwerke stehen in großen Traditionen von den Arbeitergesangsvereinen bis zu Brecht, Eisler, Weill, Dessau oder Schostakowitsch. Diese arbeiteten auch immer wieder im echten proletarischen Umfeld, immer wieder auch mit nicht professionellen DarstellerInnen und SängerInnen. Der Wiener Laienchor Gegenstimmen hat sich nun an ein ebenso neues wie beherztes Werk des Komponisten und Dirigenten Erke Duit gewagt. Und sie vertrauen dabei auch zu Recht auf die Lied- und Szenentexte der im besten Sinne altlinken Haudegen Heinz R. Unger (Schmetterlinge), Alfred Komarek (Polt) und Bärbel Danneberg und zitieren freudig und ein wenig nostalgisch auch die "Arbeiter von Wien". Nach kleinen, anfänglichen musikalischen Unsicherheiten findet sich das Kammerensemble und der Chor auch rein in eine ambitionierte Welt der besungenen Kapitalismuskritik, der musizierten Krisenrezension und anderer gesellschaftskritischer Themen. Bemerkenswert ist dabei, dass tatsächlich im Publikum ein guter Teil solider Mittelstand den Darbietungen zujubelte. Die echte "Unterschicht" wagte sich sichtbar nicht ins Wiener Konzerthaus. Dieser Umstand findet sich auch in einem der Lieder (Proletenchor) besungen wieder, wie auch öfter ein schönes Maß an Selbstreflexion und gesundem Humor in die Kantate einfließt. Hier wäre es wünschenswert, dass im Sinne der früheren "Arbeiterkonzerte" auch Orte zum Konzert aufgesucht werden, wo diese ganz einfachen und armen Menschen, um deren Wohlbefinden sich dieses Werk zu Recht sorgt, auch leben.

Triumphales in der Krise

Musikalisch bewegt sich das Werk von Erke Duit flink changierend zwischen 1930er Agitprop Musik, klassischer, manchmal fast barocker Kantate, Gospelgesang und Sprechchor mit tonaler Unterstützung. Das ist oft mitreißend, manchmal driftet die Musik in einen inhaltlich nicht ganz nachvollziehbaren Triumph hinein, der mit strahlenden Blechbläsern und vielstimmigem Chor das Schöne im Untergang heraufbeschwört. Erke Duit leitet sein Ensemble dabei aber mit sichtbarer Freude und intensivem Einsatz.

Szenen einer kapitalistischen Endzeit

Unterbrochen werden die einzelnen Lieder manchmal von kleinen Szenen, die aber merklich nur wenig gearbeitet waren. Da war für ausführliche Regie wohl zu wenig Zeit zum Proben. Lediglich bei "Gesungen, gesagt, getan" gegen Schluss keimt eine Idee auf, welche Kraft diese gespielten Texte, gut gearbeitet und ausführlich geprobt, auch entfalten könnten.

Freude schöner Sangesfunken

Den ganzen Abend allerdings durchgehend erkennbar und erlebbar war die große Freude, mit der Chor und Kammerorchester ihr Werk präsentierten. Das zahlreich versammelte Publikum im ausverkauften Berio Saal dankte es mit großem Applaus und der Einforderung mehrerer Zugaben. (Text: Tristan Jorde; Fotos: Imre Marton Remenyi, Ulrike Wieser)

gegenstimmen-2012
Kurz-Infos:
Gemmadann: Symphonische Kantate von Erke Duit
Bewertung: @@@@ (den vierten fürs politische Engagement)
Regie: Alfred Komarek
Texte: Bärbel Danneberg, Heinz R. Unger, Alfred Komarek

Camerata Wien und Chor Gegenstimmen
Nachtkritik von Tristan Jorde zur Uraufführung am 14.6.2012 im Wiener Konzerthaus (Berio Saal)

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