sidran_11_072Ben Sidran zeigte am 28. Juni 2011 beim Jazzfest Wien im Porgy & Bess ein letztes Mal wie man Dylan Songs in eine neue Umlaufbahn katapultiert.

Warum Dylan?, wurde Ben Sidran in den letzten Jahren immer wieder gefragt, sagte Sidran im ersten Intro des Abends, und gab freilich gleich die Antwort: Weil Dylan Geschichten erzählt und er, Sidran, ebenfalls gerne Geschichten erzählt. Die Songs von Dylan dienen als Vehikel, und weil sie zum Großteil einfach gestrickt sind, kann man aus ihnen enorm viel machen, eben auch Talkin' Jazz, und das passt tatsächlich hervorragend gut zusammen. Und Ben Sidran erzählt also von Dylan und auch von dessen Spiritualität, und irgendwann kippte er praktisch ansatzlos in die erste Strophe von "Gotta Serve Somebody" hinein: "You may be an ambassador to England or France / You may like to gamble, you might like to dance / You may be the heavyweight champion of the world / You may be a socialite with a long string of pearls". Spätestens hier war klar, dass Sidran mit seinem "Dylan Different" Programm etwas ganz Großes gelang. Zwei Jahre tourte er mit diesem Programm durch diverse Länder, hier in Wien war Endstation, wie er gegen Ende des Konzertabends sagte. Zu hören gab es an diesem ersten Wien-Konzert seit 15 sidran_11_101Jahren sidran_11_015nicht ausschließlich Dylan, aber hauptsächlich. sidran_11_021Der Buchautor und Musiker erzählte auch von der ungebrochenen Beliebtheit von Cartoon-Figuren in Amerika, das letztendlich in die Charlie Parker Komposition "Marmaduke" mündete, das wiederum - Parker las gerne Comics - nach dem gleichnamigen Comic Strip von Brad Anderson betitelt ist. Diese, Sidrans, Leidenschaft des Erzählens ist übrigens geprägt von Veränderung. Manche Anekdoten sind zur Gänze improvisiert, manche fußen auf vorhandenen Strukturen, biegen aber in immer neue Gedankengänge ein, dadurch jedenfalls bleibt ein Ben Sidran Programm auch nach all den Jahren noch jung und frisch, so, wie Sidran meinte, Dylan Songs nie altern. Apropos: Der jüngste Dylan-Song an diesem Abend war das entfesselte "Everything is broken", der älteste "Blowin' in the Wind" als Waving hand Version. Bei "Like a Rolling Stone" packte er Ansätze von Joe Zawinuls "Mercy, Mercy, Mercy" mit rein, anstelle Druck zu machen, spielte Sidran hier im Besonderen mit Sprachnuancierungen. Stark auch das rhythmisierende "Tangled up in blue", das sich hier zu einem großen Jazz-Song verschmolz und die Late Night Bar Jazz-Blues Version von "All I really want to do". Der große Höhepunkt des Abends war sicherlich die energiereiche Umsetzung von "Highway 61 Revisited", das Ben Sidran mit einer ausführlichen Anekdote über einen Radiosender, den er und auch Dylan in den 1950er Jahren hörten, verzierte, während sich die spielfreudige Band der Herren Leo Sidran (Bens Sohn an den Drums), Thom Warburton (Bass) und Langzeitmusikerfreund Bob Rockwell (Saxophon) auf die Reise durch den Highway eingroovte. Magisch, unterhaltsam und gescheit. Besser kann ein Konzertabend eigentlich nicht sein. //

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Text: Manfred Horak
Fotos: Rainer Rygalyk