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baaba-maal03Einer der unangefochtenen Könige der afrikanischen Musik, Baaba Maal aus dem nord-senegalesischen Podor, gab am 31. 10. 2009 im Wiener Porgy & Bess mit seiner vielköpfigen Band Daande Lenol ("Stimme des Volkes") eines seiner ganz raren Österreich-Konzerte.




Da mein Herz seit guten 30 Jahren für afrikanische Musik schlägt, und ich Baaba Maal irgendwann in den späten 1980er Jahren in Senegal, sowie 1995 beim WOMAD in Reading erleben durfte, waren meine Erwartungen sehr hoch und wären fast enttäuscht worden - aber eben nur fast. Das Porgy glich an diesem Abend einem der angesagten Live-Clubs in Dakar, und ein Gutteil des Publikums gehörte der senegalesischen und malinesischen Community Wiens an. Die Frauen eine absolute Augenweide, viele in traditionelle Boubous und farbenprächtige Ndockette gewandet, viele Männer ebenfalls in edlem oder extravagantem Zwirn und alle in ausgelassener Stimmung, war doch einer ihrer großen Söhne zu Gast in der neuen, kalten Heimat.

Wie ein wild gewordener Hornissenschwarm

Wie viele seiner Shows wurde auch dieser Abend sitzend und akustisch eröffnet, galt im allerersten Teil seinem umstrittenen neuen Album "Television", und hier lag auch der Hund begraben. Diese ersten drei Nummern wurden absolut lustlos heruntergenudelt, Baaba Maal selbst stand meist eher verloren im Abseits und, unglaublich aber wahr, der Meister der glasklaren Stimmwelten sang zeitweise derart falsch, dass ich - in der ersten Reihe stehend - gerade zur Bar gehen baaba-maal01wollte, als er mit einem Kopfnicken der Band und dem Stagemanager ein Kommando gab, was scheinbar soviel wie einen Trompetenstoß zum Angriff bedeutet haben muss. In Sekundenschnelle wurden die Sessel von der Bühne geräumt, die Gitarristen griffen zu den elektrischen Gitarren, sein Jugendfreund und Lebensbegleiter, der blinde Sänger Mansour Seck machte einen Jauchzer, und wie ein wild gewordener Hornissenschwarm fiel Daande Lenol, mit plötzlich gigantischem, ja fast schon zu druckvollem Sound, über das Publikum her, nahm es in einen begeisternden Würgegriff, und ließ das letzte Europa-Konzert der laufenden Welttournee zu einer Party werden, die man nicht oft erleben darf. Dabei legte der aus dem Volke der Serer und Halpulaar stammende Sohn eines Fischers blitzschnell einen Hebel um, ließ mit einem Mal wissen, warum er von vielen Kritikern als einer der besten Sänger weltweit geadelt wurde, und zog ein Ass nach dem anderen aus der Trickkiste seiner, meist durchaus politisch brisanten, Kompositionen, die sich auf nunmehr über 10 Alben gesammelt haben, und die beim afrikanischen, aber auch beim anwesenden Wiener Publikum den Reaktionen nach zu schließen zum Großteil bekannt gewesen sein dürften.

Bilderbuchlehrstunde in westafrikanischem Ausdruckstanz

Die nun sagenhaft präzis arbeitende 10-köpfige Band ermöglichte nicht nur dem Star des Abends tun und lassen zu können, was er wollte, sondern auch einer Schar an afrikanischen und europäischen Gästen im Publikum spontane – und durchaus meisterhafte Einstiege zum mitmusizieren. So steuerte eine mir unbekannte rothaarige Dame mit einem sehr stimmigen Saxophon Solo den jazzigsten Teil des Abends bei, an der Seite des großartigen Percussionisten Mouhamdou Sarr fand sich plötzlich ein grinsender Dreadlocks-Träger, der Sarr zuerst fragend ansah, bis ihn dieser kopfnickend auf eine freie Trommel baaba-maal02hinwies, genauer eine Sabar, die man mit einem Holzstock und der flachen Hand bedient, was Mr. Dreadlock von der allerersten Sekunde mit mörderischer Präzision und unter Beherrschung der schwierigen Technik meisterte, und bei der nächsten Nummer erklomm ein anderer senegalesischer Besucher die Bühne, griff sich eine Djembe, und ließ ein Solo vom Stapel, das für Begeisterungsstürme sorgte. Der Einpeitscher und Entertainer in der Band, Meister-Trommler Massamba Diop, neben Youssou N'Dours Assame Thiam der vermutlich beste Tama-Spieler der Welt [die Tama ist eine mit Echsenhaut bespannte Talking Drum, die unter den Oberarm geklemmt - und von diesem gedrückt in verschiedene Tonlagen gebracht - mit den Fingern und einem kleinen gebogenen Klöppel in der anderen Hand bespielt wird; Anm.] ermunterte permanent die anwesenden Senegalesen auf die Bühne zu kommen, was diese natürlich und Gott sei Dank auch taten, denn so wurde den anwesenden Gästen eine Bilderbuchlehrstunde in westafrikanischem Ausdruckstanz zuteil, welche manchmal absolut nicht mehr jugendfrei war.
Dollar- und Euroscheine aller Größenordnungen setzen sich in Bewegung und wanderten auf die Bühne in die stets bereiten Finger der Musiker, ebenfalls eine Tradition in Afrika, und fast schon im Minutentakt wurden auch kleine Stücke Haschisch und Gras an den über beide Ohren grinsenden Baaba Maal übergeben. Nachdem die Einlagen der Gasttänzer immer akrobatischer wurden, ließ sich auch Baaba Maal nicht lumpen und legte, längst bloßfüßig, und einem Wirbelwind gleich einen Tanz aufs Parkett, der einem 20-jährigen zur Ehre gereicht hätte. Längst schlingerte das Porgy wie ein in bedrohliche Brandung gekommenes Schiff und den Dampf steuerte das elektrisierte, schwitzende Publikum bei. Wenn es Youssou N'Dour ist, der manchmal auch live zu poliert und zu poppig klingt, so ist auf Baaba Maal immer 100% Verlass, eine authentische afrikanische Show geliefert zu bekommen, so auch dieses Mal im ehrwürdigen Porgy & Bess, in dem nach dem dritten Song buchstäblich Alladin aus seiner magischen Lampe schwebte und uns verzauberte. (Text: Dietmar Haslinger / Weltenklang; Fotos: Baaba Maal Archiv