Nickelsdorf wird bereits zum 30. Mal für drei Tage zum
Mittelpunkt der etablierten Gegenkultur, der Welthauptstadt für schräge
Besonderheiten und der Gewissheit, an diesem Wochenende nirgendwo besser
aufgehoben zu sein als bei den "Konfrontationen". Das Live-Spektakel an der
Grenze zu Ungarn findet zwischen 10. und 12. Juli 2009 statt.
Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik ist seit 30 Jahren Programm der Nickelsdorfer Konfrontationen. Hierher kommt ein musikinteressiertes Publikum, das hungrig ist auf die neuen Geschichten, die von internationalen Musikern und Künstlern in verschiedensten Tonsprachen erzählt werden. Ausgehend von der Freejazzszene der 1970er Jahre wird seitdem mit zeitgenössischen Musikströmungen experimentiert. Jeder Erfolg war immer nur ein Anreiz weiter in dieser Richtung zu arbeiten. Man hat sich nicht auf Erprobtem ausgeruht sondern ist weiter gegangen und hat sich auf maximale Aktualität eingeschossen. Manchmal musste das Publikum erst überzeugt werden, denn gerade die Entscheidung Jazz mit elektronischer Musik zu verbinden wurde zum Meilenstein, der zu harten und kontroversen Diskussionen führte. Eine Diskussion, die heute einfach undenkbar ist. Die Marke Konfrontationen ist divergent, sie verspricht keine Hits, die unzählige Male wiederholt werden können sondern Hörerlebnisse, auf die man sich hier und jetzt einlässt. Einzigartige Hörerlebnisse, brachial oder leise oder beides, die in den eigenen Sinnen gespeichert werden – bis es im nächsten Jahr wieder so weit ist. Freitag, 10. Juli 2009 Die drei Musketeers Marco Eneidi (sax), Philipp Quehenberger (keyboard) und dd Kern (drums) werden die 30. Konfrontationen am Freitag, 10. Juli, um 19 Uhr in der Jazzgalerie mit einem explosiven Kraftakt eröffnen. Das Trio spielt jetzt schon seit einigen Jahren in dieser Formation und verschmilzt Free Jazz, Rock, Noise und Electronica zu einem zeitgenössischen Klanggebräu. Danach, um 20:30 Uhr, folgt das Quartett Andy Moore (E-Git.), Tony Buck (dr.), Magda Mayas (piano), Christine Shenaoui (Alt Sax), und um 22 Uhr folgt eine Begegnung mit Georg Graewe (piano) und Paul Lovens (drums), den zwei traumwandlerisch sicher agierenden Musikern der 1. europäischen Superliga. Lovens und Graewe im Duo, das ist gegenseitiger Respekt, Fintenreichtum, Präzision im kleinsten detail. Den ersten Abend beschließt um 23:30 Uhr schließlich eine Formation, die man nicht unbedingt bei den Konfrontationen erwartet, nämlich Gustav alias Eva Jantschitsch (vocals, electronics), Oliver Stotz (guitar) und Elise Mory (keyboard). Aber: "Die Nickelsdorfer Bühne", so die Veranstalter, "bot immer auch anderes als Free Jazz und Improvisierte Musik." Mit "Rettet die Wale" und "Verlass die Stadt" ist Gustav, wie man weiß, außergewöhnlich erfolgreich "und könnte", so die Festivalleitung, "mit ihrer Band nahtlos an erinnerungswürdige Nickelsdorf-Konzerte wie dälek, the ex, zu, tippergore anschließen." Samstag, 11. Juli 2009 Die Samstags-Konfrontationen beginnen bereits um 15 Uhr im Kleylehof, zunächst mit dem Griechen Nikos Veliotis (cello) und dem Meister der Reduktion, Radu Malfatti (trombone), fortgesetzt eine Stunde später mit …&mics. Der Australier Will Guthrie, der trotz seiner 26 Jahre schon auf eine längere Karriere zurückblicken kann und bei Miles Davis Schlagzeuger Tony Williams in die Lehre ging, trifft auf die beiden Franzosen Jean-Luc Guionnet und Jérôme Noetinger. Danach heißt es wieder Szenenwechsel und auf in die bewährte Jazzgalerie. Dort startet um 19 Uhr das abendfüllende Musikprogramm mit dem Tristan Honsinger's Seven Seas Orchestra. Honsinger hat hier ein hochkarätiges Streicherensemble zusammengestellt, welches starke individualistische Spielerinnen-Persönlichkeiten in einen von ihm projektierten Rahmen stellt. Anarchie und Freiheit werden dabei die spielbestimmenden Faktoren sein, aber auch Humor und Philosophie kommen bei Tristan Honsinger nie zu kurz. Um 20:30 Uhr folgt das japanische Otomo Yoshihide Sextet. Diese Band, so heißt es, kann noch Free-Jazz-Geschichte aus dem Geist der Tradition schaffen. Das Duo John Butcher (sax) und Gerry Hemingway (drums) spielen danach um 22 Uhr auf. Hemingway, langjähriger Begleiter von Anthony Braxton, trifft sich mit Butcher, also mit einem der besten Saxofonisten in der Contemporary Music Scene. "Buffalo Pearl" heißt ihre erste CD-Einspielung, und diese Perlen werden sie auch dem Nickelsdorfer Publikum präsentieren. Um 23:30 Uhr zelebriert The Brass Association mit Jeb Bishop (trombone), Johannes Bauer (trombone), Per Ake Holmlander (tuba, chimbasa) und Joe McPhee (valve trombone) "a dedication to Clifford Thornton", einen der ersten Musiker der Afro-Amerikanischen Szene, der lange bevor es Mode wurde in globalen Zusammenhängen einen Entwurf von Welt-Musik hinlegte. "Gardens of Harlem" mit dem Jazz Composer's Orchestra eingespielt, ist heute jedoch fast in Vergessenheit geraten. Clifford verschmolz die Musik der Sahara, der Ewe aus Togo, Afro-Kubanische Musik und die Volksmusik eines Béla Bartók zu seiner eigenen Musik, mit starker Bindung an die Jazztradition. Clifford Thornton war der Spiritual Rector und Impulsgeber für die weitere Karriere von Joe McPhee, der heuer 70 Jahre alt wird. Um 1 Uhr folgt schließlich noch das Trio Fennesz / Brandlmayr / Dafeldecker, das bereits im Vorjahr ein Benefiz für die Jazzgalerie Nickelsdorf im Wiener Fluc gab und Publikum wie Veranstalter restlos glücklich machte, also begeisterte. Daher die logische Schlussfolgerung des Konfrontationen-Teams: "Wir wollen das noch einmal hören!". Christian Fennesz (computer, guitar), Martin Brandlmayr (drums) und Werner Dafeldecker (double bass) gehören zu den großen Neuerern und Mitbegründern des "Wiener Elektronik-Wunders". Sonntag, 12. Juli 2009 Sonntagszeit, Kirchenzeit, so auch bei den Konfrontationen. Also auf geht's um 15 Uhr in die Kirche. Staunet und höret. Mary Oliver (viola) und Rozemarie Heggens (double bass) verklangbildern ein Magnetfeld aus klassischer Interpretation und freier Improvisation. Um 16 Uhr folgt das einzige Solo-Konzert der diesjährigen Konfrontationen, nämlich Jean-Luc Guionnet an der Orgel - wir sind ja schließlich immer noch in der Kirche. Um 18 Uhr geht es dann wieder wie gewohnt in der Jazzgalerie weiter, mit dem viel versprechenden Quartett Katharina Klement (piano), Klaus Lang (Hammond), Hans W. Koch (Computer) und Susanna Gartmayer (Bassklarinette). Zeitgenössisch, Genre-übergreifend, multimedial, innovativ - Phrasen, sicher - aber all das darf man sich von diesem Quartett erwarten. Um 19:30 Uhr greift dann Joe McPhee nochmals zum Tenorsaxofon. Zu hören gemeinsam mit Paal Nilssen-Love (drums). Und um 21 Uhr folgt ein weiteres Duo, was für eines noch dazu! Irene Schweizer (piano) und Louis Moholo-Moholo (drums) geben sich die Ehre, das Publikum darf sich auf eine Ausnahmepianistin freuen, die bereits in frühen Jugendjahren vom Bazillus der Afro-Amerikanischen Musik infiziert wurde, welche sie nie mehr losgelassen hat und bei den Konfrontationen mit einem der letzten großen Musiker aus Südafrika, der die bitteren Jahre im europäischen Exil glücklicherweise überlebte, Masterdrummer Louis Moholo, aufspielen wird. "Viva la Black". Referenzen an die Musik von Dollar Brand und Dudu Pukwana dürfen erwartet werden. Den Abschluss der 30. Konfrontationen bildet um 22:30 Uhr die Formation Ground 6 mit Veryan Weston (piano), Luc Ex (bass), Tony Buck (drums), Ingrid Laubrockm (tenor), Hannah Marshall (cello) und Mandy Drummond (viola). Ein traumhaftes Dream Team, mit einem Schlagzeuger, der die Felle streichelt und die Glocken und Becken verzaubert. (mh/pt; Fotos: Elvira Faltermeier, Konfrontationen) |
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