mit den Schlagworten:

fest_joachim_albert_speerUnbeantwortbare Fragen, die freilich auch nach der Lektüre dieses Buches über den "Chefarchitekten des Dritten Reichs" unbeantwortbar bleiben. Empfehlenswert ist es dennoch allemal.

Dann ließ er die "Rollos" wieder herunter

Eine Art Erinnerungsprotokoll liefert der deutsche Publizist und Historiker Joachim Fest mit "Die unbeantwortbaren Fragen" ab. Fest lieferte im Jahr 2002 mit der Buchveröffentlichung "Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches" dem Regisseur Bernd Eichinger die Idee zum gleichnamigen Oscar(TM)-nominierten Kinofilm. Für den Nazi Speer fungierte Fest als Lektor von "Erinnerungen" und "Spandauer Tagebücher". In den Jahren 1966 bis zu Speers Tod im Jahr 1981 führten die beiden zahlreiche Gespräche, deren Inhalt nun Fest also in Buchform den historisch interessierten Lesern nicht vorenthalten möchte. Dass sich auch diese Fest'schen Erinnerungen keineswegs sperrig lesen liegt auf der Hand und so bitter auch das sich dahinter verbergende große Thema auch ist, so beinahe schon flapsig wird hier über die unbeantwortbaren Fragen nachgedacht, die freilich unbeantwortbar bleiben. Man kann sich auch nicht des Eindrucks erwehren, dass hier einer (der Autor) dem anderen zwar doch über all die Jahre kritisch gegenüber stand, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Speer blieb feste Autorität, eine unnahbare Persönlichkeit, die viel vorgab. Einerseits, irgendwann einmal irgendjemand anderer gewesen zu sein, andererseits einer zu sein, der sich selbst ein Widerspruch ist [bzw. einer zu sein, der nicht nur die Umwelt sondern auch sich täuschte].

Warum?

Die Gespräche in diesem 260 Seiten starken Buch kreisen vornehmlich um die Fragen wie Hitler möglich war, und warum gerade in Deutschland, wie Vorkehrungen beschaffen sein müssten (bzw. ob es solche Vorkehrungen überhaupt gibt) um eine derartig grausame Epoche der Welt nicht nochmals zustande kommen zu lassen, aber auch, wie ein Mann wie Albert Speer mit einem ursprünglich sozialen und familiären Hintergrund sowie moralischen Maßstäben eine hohe Funktion bei den Nazi-Barbaren einzunehmen. "Wir fragten Speer nach dem merkwürdigen "Weinkrampf", der ihn in den Tagen des Kriegsendes beim Auspacken seines Koffers in Flensburg überfallen hatte. Immerhin habe er Hitler schon Monate zuvor als "Verbrecher" bezeichnet, seinen Befehlen zuwidergehandelt und sogar ein Attentat gegen ihn mindestens erwogen. Wir wollten etwas vom Charakter seiner Emotion für Hitler erfahren. Aber er ließ sich darauf nicht ein und gab sich verwundert, als empfinde er die Frage als töricht und unerlaubt. Er sei eben damals noch nicht "fertig" gewesen mit Hitler, und das heiße doch, mit seinem eigenen Leben, meinte er kurz angebunden. Damit ließ er die "Rollos", wie wir das nannten, wieder herunter."
Wer also war dieser Speer? "Er habe eine Notiz unter seinen Zetteln gefunden, ziemlich aus den letzten Monaten in Spandau. Da stehe, dass er [Speer; Anm.] das Rätsel seines Lebens wohl niemals lösen werde. Zwar habe er sich schuldig gemacht, sei als Verbrecher gebrandmarkt, verurteilt und so weiter. Aber was sei, aufs Ganze des Lebens gesehen, die Alternative gewesen? Hätte er lieber als Stadtbaurat von Göttingen seinen Lebensabend verbringen wollen, der als Architekt auf das Gebäude der Stadtsparkasse und die Anlage des lokalen Schwimmbads zurückblickt?" Ein, trotz der eingangs erwähnten Flapsigkeit, intensives, relevantes Buch, geschickt aufgezogen, dennoch aus mehreren Aspekten und Blickwinkeln betrachtet widersprüchlich. (Manfred Horak)

@@@@
Rowohlt Verlag, 2005
272 S., gebunden
ISBN 3 498 02114 1