Ihr größtes Problem sei, dass sie nicht genug Zeit habe, behauptet Annie Leibovitz, die "so ziemlich alles interessant" und fotografierenswert findet. Vor allem Momente, in denen ihre Familie festgehalten wird, bilden den roten Faden in Leben und Arbeit der amerikanischen Fotografin. Im Kunst Haus Wien sind noch bis 21. Februar 2010 Werke aus ihrem umfangreichen Schaffen, basierend auf der Publikation "Annie Leibovitz - A Photographer's Life 1990-2005", zu sehen.
"Mich hat immer schon mehr interessiert, was die Menschen tun als wer sie sind, und ich hoffe, dass meine Fotos das widerspiegeln." Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es kaum eine prominente Persönlichkeit, die sie nicht vor ihrer Linse in Szene gesetzt hätte: Von Musik-Legenden wie Patti Smith, Johnny Cash und Mick Jagger über Schauspielgrößen à la Nicole Kidman, Robert de Niro oder Brad Pitt bis zu Protagonisten der Politik (Barack Obama, Bill und Hillary Clinton) oder Kunst (Richard Avedon, Matthew Barney, Grande Dame Louise Bourgeois). Viele dieser Fotografien Leibovitz' kennt man, noch mehr kennt man die auf den Aufnahmen gezeigten Modelle, und selbstverständlich möchte man ebendiese in einer Personale nicht missen. "Fotografie war für mich immer familienbezogen." Die wahren Stars der Ausstellung sind jedoch die unzähligen, kleinformatigen Aufnahmen in Schwarzweiß, welche Leibovitz' Familie und Momente aus deren Alltag dokumentieren: Ihre Eltern mit den Enkeln am Strand von Long Island, Leibovitz' Kinder Sarah, Samuelle und Susan im Garten, sowie zahlreiche grandiose Porträts ihrer langjährigen Lebensgefährtin, der Schriftstellerin und Fototheoretikerin Susan Sontag. Mit der intellektuellen Freundin, ihrerseits auch Kritikerin und Mentorin Leibovitz', kehrte sie der Welt von Vogue, Vanity Fair und Rolling Stone zeitweise den Rücken zu und begab sich auf Reisen nach Petra (Jordanien), Mexiko, Paris, Venedig oder erlebte das im Krieg belagerte Sarajevo - Augenblicke, die sich in einfühlsamen, und dennoch sehr klassischen Bildern wiederfinden. "Für Fotografen ist es wichtig, ihrer Arbeit eine Richtung zu geben, aber ich habe soviel zu tun, dass das schwierig ist." Leibovitz' Rastlosigkeit verhalf ihr auch ohne vorhandenes Konzept zu einer glänzenden Karriere, die ihr im Gegenzug einiges abverlangte. Bis zum Teenageralter wegen der häufig wechselnden Dienstorte des Vaters auf permanenter Wanderschaft, begleitete sie später, nach Uni-Abschluss und einigen Jahren Arbeitserfahrung, 1975 eine Konzerttournee der Rolling Stones. Jahre danach eine Suchtgift-Therapie, in der die Nachwehen der Stones-Tour erfolgreich kuriert werden konnten. Anschließend war Leibovitz wie schon zuvor für Magazine und darüber hinaus für Werbekampagnen im Dauereinsatz. 2001, im fortgeschrittenen Alter von 51 Jahren, wurde Leibovitz erstmals Mutter. Und als solche ist sie eine, die ihren Kindern keine typische "Bitte-lächeln!"-Grimasse aufzwingt, sondern die sie, je nach Stimmung, neugierig, gelangweilt oder neutral in die Kamera blicken lässt. So kommt es, dass die todkranke Sontag von einfachen Kinderporträts gerahmt werden oder die kleine Sarah das passende Pendant zur Queen bilden kann. Die Ausstellung über einen vergangenen Lebensabschnitt einer weltberühmten Fotografin zeichnet sich durch diese gelungene Kombinationen des Bildmaterials aus, wenngleich dieses stellenweise nicht genug ins rechte Licht (Beleuchtungssituation in den Ausstellungsräumen!) gerückt wurde. (Text: ne)
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