owen-wingrave-kritik"Die Zeit" betitelte ihre Kritik zu "Owen Wingrave" anlässlich der Erstaufführung im Jahr 1971 mit "Anti-Antikriegs-Schmonzette", nun wagt sich die Wiener Kammeroper an die Oper von Benjamin Britten heran und führt es erstmals in Österreich auf. Das Libretto dazu schrieb Myfanwy Piper nach einer Novelle von Henry James.

Der junge Mann Owen Wingrave stammt aus einer Familie, in der traditionell alle Männer Offiziere der Streitkräfte werden. Entsprechend besucht Owen die Vorbereitungsseminare von Spencer Coyle, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. Owen macht sich sehr gut: Er ist in allen Dingen seinen Kameraden weit voraus. Dann entscheidet Owen aufgrund der Lektüre seines Lieblingsdichters, dass er keine Karriere als Offizier machen will, dass Kriege abscheulich und unmoralisch sind. So weit so gut und auch (persönlich) nachvollziehbar. Er riskiert damit einen Bruch mit der ganzen Familie, setzt die Freundschaft eines Mädchens und das Erbe seiner Tante aufs Spiel, nur die Bezeichnung "Feigling" lässt er sich nicht bieten: Er wird im Geisterzimmer des Familienschlosses schlafen - und der schrille Schrei der jungen Dame mitten in der Nacht kündigt an, dass der Held tot ist. So weit, so Oper.

owen-wingrave-szene05owen-wingrave-szene11Zugegeben: Ich kenne die Novelle von Henry James nicht und weiß daher nicht, ob sie spezielle literarische Qualitäten besitzt, aber ich kenne mittlerweile die Oper nach dieser Novelle und weiß nun, dass zumindest das Libretto keine literarischen Qualitäten besitzt. Die Argumente und Gegenargumente dem Pazifismus zu frönen oder doch lieber als Soldat im Krieg zu sterben kreisen im Libretto um sich herum und können weder diskursive Spannung noch einen glaubhaften Idealismus zum Ausdruck bringen. Ich stellte mir "Owen Wingrave" diesbezüglich eindringlicher vor. Und wenn schon Sittengemälde mit düsterem Anwesen, überreizten Nerven, Enterbung, Entliebung und Familiendrama, dann doch mit konstruktiven Dialogen zum Thema Pazifismus Richtung Bertha von Suttner, aber nicht derart naiv und simpel, in dem der lyrisch-verträumte Kriegsgegner (der viel umjubelte Andrew Ashwin) sein "Ich will nicht" dem "Du musst aber" des alten Generals, der matriarchalischen Erzieherin und seiner hysterischen Freundin (in blendender Form: Astrid Hofer) entgegenstemmt. Musikalisch bietet die Oper dafür einige feine Momente, vor allem der Chor-Teil berührt ungemein. Einfach, in der Einfachheit sehr aufwändig und alleine von daher sehr gelungen, das Bühnenbild. (Text: Manfred Horak; Fotos: Christian Husar)

Kurz-Infos:
Owen Wingrave von Benjamin Britten
Bewertung: @@@
Wiener Kammeroper
Fleischmarkt 24, 1010 Wien
Von und mit:
Daniel Hoyem-Cavazza (Musikalische Leitung)
Nicola Raab (Inszenierung)
Anne Marie Legenstein (Ausstattung)
Michael Hofer (Lichtdesign)
Brian Galliford (Narrator)
Andrew Ashwin (Owen Wingrave)
Craig Smith (Spencer Coyle)
Paul Schweinester (Lechmere)
Ewa Biegas (Mrs Wingrave)
Rika Shiratsuchi (Mrs Coyle)
Ingrid Habermann (Mrs Julian)
Astrid Hofer (Kate)

Brian Galliford (General Sir Philip Wingrave)