Wiener Blond Sinfonien im Souterrain Foto Julia Wehsely

Das Duo Wiener Blond und das Original Wiener Salonensemble trafen sich im Souterrain, um neue sinfonische Poplieder aufzunehmen. Das Ergebnis kann sich mehr als hören lassen.

Wiener Blond und das Original Wiener Salonensemble

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts gab es neben dem literarischen Salon auch den musikalischen Salon, der für musikalische Darbietungen im privaten Rahmen der meist großbürgerlichen Gesellschaft sorgte, gewissermaßen als Fortführung der Kammermusik des Adels im 17./18. Jhdt. Poetische Instrumentalstücke, die eine Geschichte erzählen oder eine bestimmte Atmosphäre schaffen sollten, standen im Vordergrund. Mit der Zeit verschmolz in Wien die Salonmusik mit dem Lokalkolorit des Wienerlieds und mit Operettennummern. Die Verbreitung des Rundfunks läutete zwar das Ende der Salonkultur ein, erhalten blieb allerdings die Salonmusik, nur halt mit der neuen Begrifflichkeit "Unterhaltungsmusik“. Seit 2006 widmet sich das "Original Wiener Salonensemble“ der Pflege der typischen Wiener Salonmusik von anno dazumal. Die Breite des Repertoires umfasst neben Mozart und Schubert auch Lanner und Strauß, sowie Piazzolla und Gershwin. Seit 2016 machen sie zudem mit dem Erfolgsduo Wiener Blond gemeinsame Sache.

Sinfonien im Souterrain

Wiener Blond Sinfonien im Souterrain CD CoverDas erste gemeinsame Album "endlich salonfähig!“ ist ein Live-Album und enthält neben neu komponierten Stücken wie "Ein Kasperl muss man sein“ auch bekannte Wiener-Blond-Klassiker wie "Der Letzte Kaiser“. Diese erste Kollaboration kam dermaßen gut an, dass es 2020 prompt eine Amadeus-Nominierung enthielt. Nun folgt mit dem Studio-Album "Sinfonien im Souterrain“ der zweite gemeinsame Streich zwischen dem Original Wiener Salonensemble und dem Wiener Blond Duo Verena Doublier und Sebastian Radon. Zu hören gibt es wortwitzige Popsongs, die ihre Sehnsucht in der traditionellen Salonmusik des 19. Jhdts. vereint. Der Großstadtgroove und der Wiener Zungenschlag gehen dabei eine ungemein witzige und fantasievolle Verbindung ein. Wehmutsfantasien und alte Sprüche werden neu durchgeklopft und auf den neuesten Stand gebracht. Gesungen wird über das TV Wetterpanorama als neuen urbanen Lifestyle und gesungen wird über das vom Aussterben bedrohte verlängerte Wohnzimmer der Wienerinnen, dem Kaffeehaus in den Liedern "Café Bräunerhof“ und "S'letzte Kaffeehaus“. Apropos Wohnzimmer: In Inseraten als Euphemismus verwendet werden kann der Begriff Souterrain für kellerartige, unter Geländeniveau liegende Wohnungen dann, wenn die entsprechenden Bauordnungen dies zulassen. Und wenn die Stimmung schon im Keller ist, dann kann man im Souterrain wenigstens immer noch genussvoll seine Melange schlürfen - oder sein "Soda Zitron“, wie im gleichnamigen Lied.

Wiener Blond muss sich mit ihren neuen Liedern nichts schönreden

Auf dem Album gibt es einige Schönheiten, Stimmungsfänger und Textfeinheiten zu entdecken. Gleich das Eröffnungsstück "Abstandswalzer“ zeigt all seine Schönheit, Gediegenheit und Größe - und nicht zuletzt, wie klug die Entscheidung war, dass Wiener Blond und das Original Wiener Salonensemble ihren gemeinsamen Weg fortsetzen. Welche Erwartungen es gab, als Verena Doublier und Sebastian Radon beschlossen vor etwas mehr als 10 Jahren Wiener Blond zu gründen, erzählten sie beim Interview im alten Wiener Kaffeehaus Schopenhauer. Radon: "Es war damals so, dass wir einfach gemerkt haben, wir funktionieren in unserem gegenseitigen Songwriting, dass wir uns da Bälle zuwerfen und gemeinsam arbeiten können. Natürlich haben wir auf viele Live-Auftritte gehofft. Das hat sich erfüllt und zumindest in Wien funktioniert das sehr gut.“ Doublier, ergänzend: "Wie wir angefangen haben, hätten wir wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass wir nach so langer Zeit immer noch da sitzen und das in dem Maße auch noch machen können. Ich finde es unglaublich schön, dass wir nach wie vor gemeinsam Musik machen. Was für mich aber schon ein begleitender Faktor war in diesen zehn Jahren ist, abgesehen was in der Welt alles passiert, dass die österreichische Musikszene vor der Pandemie doch überraschend gute Jahre hatte. Das war sehr motivierend und inspirierend diesen Weg so lange einzuschlagen.“ Die Pandemie hat viel verändert, und hat im Falle von Wiener Blond die Motivation gestärkt dieses Album zu realisieren. "Das Schöne an Musik ist“, so Verena Doublier, "dass sie so direkt ist und immer im Jetzt passiert. Wir waren so happy, dass wir nach der Pandemie endlich wieder mit großem Ensemble gemeinsam in einem Raum stehen durften, um zu musizieren und die Lieder aufzunehmen.“ Und genau das hört man. Mit jedem Ton. In jedem sinfonischen Poplied. //

Text: Manfred Horak
Fotos: Julia Wesely

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