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jeremy-schonfeldIm Interview mit Kulturwoche.at erzählt Jeremy Schonfeld über die Hintergründe seines Konzeptalbums "Iron & Coal", das zu großen Teilen in Wien entstanden ist und vom Holocaust handelt, den sein aus Ungarn stammender Vater als Jugendlicher im KZ Auschwitz knapp überlebt hat.

Mit "Iron & Coal" präsentiert der US Singer/Songwriter und Musical- bzw. Theaterkomponist Jeremy Schonfeld, ("37 Notebooks", "Drift", "Blue Skies and All") ein ungewöhnliches und sehr persönliches Konzeptalbum. Der 42-jährige Musiker, der 2011 im Rahmen der European Maccabi Games in Wien zu Gast war,  beschäftigt sich darin mit dem Holocaust. Zusätzlich thematisiert Jeremy Schonfeld in den berührenden Songs von "Iron & Coal" auch die Beziehung zu seinem Vater, der während der Produktion des Albums verstarb.

Wie ist die Idee zum Album "Iron & Coal" entstanden?

Mein Vater, Dr. Gustav Schonfeld, der im Mai 2011 verstorben ist, stammte ursprünglich aus Ungarn, und wurde 1944 von den Nazis in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Insgesamt wurden alleine in Auschwitz im 2. Weltkrieg 1 Million Juden in den Gaskammern ermordet. Er war einer der wenigen Juden, die das Lager überlebt haben, und ist dann später in die USA ausgewandert. Diese Geschichte vom Überleben des Holocaust war in meiner Familie immer sehr präsent, aber erst als mein Vater seine Autobiografie veröffentlichte und kurz darauf schwer erkrankte, habe ich gespürt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, mich auch persönlich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen. Das Ergebnis ist das "Iron & Coal"-Album.

Hat dein Vater oft von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager Auschwitz erzählt?

Ja, und er hat die unerwartete und glückliche Fügung, das Konzentrationslager zu überleben, immer so beschrieben, als wenn er dadurch noch eine Art extra Lebenszeit erhalten hätte. Der Umstand, dass er das Lager - im Gegensatz zu vielen anderen - überlebt hat, war für meinen Vater in seinem Leben oft auch eine schwere Bürde. Als mein Vater 2009 seine Memoiren ["Absence of Closure"; Anm.] veröffentlichte, beschrieb er darin noch einmal detailliert seine unglaublichen Erlebnisse aus dieser Zeit. Wir haben während der Zeit, als er an dem Buch gearbeitet hat, oft über den schwierigen Prozess gesprochen, sich für das Schreiben all diese leidvollen Erlebnisse noch mal vor Augen zu führen. Er hat mir öfters Auszüge des Manuskripts zum Korrektur-Lesen gegeben. Das habe ich als große Auszeichnung empfunden, dass mein Vater meine Meinung zu seinem Buch nicht nur als Sohn, sondern auch als Freund und eigenständiger Autor schätzt. Diese gemeinsamen Diskussionen waren letztendlich auch der Auslöser für meine schon länger gehegte Idee, seine Geschichte mit Musik zu verbinden und ein Album darüber zu machen.

Wie ging es dann weiter in der Entstehung des Albums?

Am Anfang dachte ich, dass ich für "Iron & Coal" ganz simpel die Memoiren meines Vaters mit Musik unterlegen und daraus ein Musical oder eine Oper machen werde, doch mir wurde bald klar, dass es eigentlich nicht mein Job sein kann, auf meinem Album seine Geschichte nochmals zu wiederholen. Mir war es dann wichtiger, eine eigene Perspektive zu entwickeln bzw. meine eigenen Gedanken und Gefühle zu artikulieren. Dabei habe ich dann u.a. das Thema aufgegriffen, wie es ist, als Sohn eines Holocaust-Überlebenden aufzuwachsen. Zusätzlich entwickelte ich auf dem Album eine Parallelhandlung von Vater und Sohn. Ich habe dann auch ältere Songs für "Iron & Coal" verwendet, und durch Verwendung dieser Lieder, die eigentlich schon viel früher entstanden sind und trotzdem sehr gut in das Konzept hineingepasst haben, wurde mir bewusst, dass mich diese Geschichte teilweise auch unbewusst schon mein ganzes Leben beschäftigt. Zusätzlich geht es bei "Iron & Coal" auch um die persönliche Beziehung zwischen meinem Vater und mir.

Wie kam es dann dazu, dass du "Iron & Coal" mit einem Produzententeam aus Österreich aufgenommen hast?

Da waren eine Menge Zufälle im Spiel. Ich lebe ja in New York und arbeite eigentlich sehr viel in der Broadway-Theaterszene. Ich habe dann nach dem richtigen musikalischen Umfeld gesucht, um "Iron & Coal" umzusetzen, wurde aber in den Staaten nicht wirklich fündig. Fast hätte ich schon einen Vertrag mit einer Plattenfirma in New York abgeschlossen, aber irgendwie hatte ich dann doch das Gefühl, das dieses Label meine Pläne für "Iron & Coal" nicht so realisieren könnte, wie ich mir das vorgestellt habe. Über ein paar Ecken kam ich dann mit dem Wiener Produzenten-Team Beat 4 Feet in Kontakt. Ich traf mich dann persönlich mit Martin Gellner und Werner Stranka von Beat 4 Feet, und wir verstanden uns auf Anhieb. Ihre Fähigkeiten, Musik zu produzieren, die einerseits Rock & Pop beinhaltet, aber andrerseits auch sehr orchestral sein kann, hat mich sehr beeindruckt. Das war genau der Sound, der mir für "Iron & Coal" vorschwebte. Darüber hinaus haben Beat 4 Feet ja auch schon mit Größen des österreichischen Musikgeschäfts [u.a. Wolfgang Ambros, Paradise Now; Anm.] zusammengearbeitet. Ich kann wirklich nur das Beste über Beat 4 Feet sagen, von einem kreativen Standpunkt aus wäre das Album ohne sie nie so toll geworden. Die Zusammenarbeit war fantastisch. Und diese Songs in Wien aufzunehmen, war aufgrund der besonderen Geschichte meines Vaters, die damit verbunden ist, natürlich auch ein ganz besonderes Erlebnis.

Bei den Aufnahmen zu "Iron & Coal" war auch noch überhaupt nicht klar, bei welcher Plattenfirma das Album letztendlich veröffentlicht wird, oder?

Ja, und dazu kam noch der Umstand, dass ohne Unterstützung durch eine Plattenfirma auch der finanzielle Aspekt der Aufnahmen lange eine ungelöste Frage war. Doch ich habe dann Sponsoren für das Projekt gefunden, und auch mein Executive Producer Mike Casseling hat mich sehr unterstützt. So hatte ich dann bei den Aufnahmen im Studio ein ausreichendes Budget zur Verfügung und konnte die verschiedenen Songs mit allen Elementen ausstatten, die mir notwendig erschienen. So war es auch möglich, bei manchen Songs mit einem Orchester oder einem größeren Chor zu arbeiten bzw. auch noch im Nachhinein zusätzliche Stücke zu schreiben und aufzunehmen. Irgendwann haben wir nämlich im Studio gemerkt, dass noch ein Song fehlt, um den Zyklus zu komplettieren. Den habe ich dann noch schnell zusätzlich geschrieben, es ist jetzt der letzte Song auf dem Album: "Story Of Love". Da ist zu Beginn im Intro mein Vater mit einem gesprochenen Segen aus dem jüdischen Glauben zu hören, den ein Vater über seine Kinder spricht. Ich bin sehr dankbar, dass die Stimme meines Vaters jetzt auf diesem Song für immer verewigt ist. "Story of Love" war noch das i-Tüpfelchen, das auf dem Album gefehlt hat.

Dein Vater ist während der letzten Produktionsschritte von "Iron & Coal" im Mai 2011 verstorben. Konnte er das fertige Album noch hören? 

Er verstarb leider an dem Tag, an dem das Album gemastert wurde. Die fertige CD konnte er nicht mehr hören, aber ich konnte ihm noch einige Passagen aus dem Rough Mix vorspielen.

Welches Publikum willst du mit dem "Iron & Coal"-Album ansprechen, bzw. wirst du das Album in nächster Zeit in Europa auch live präsentieren?

Mir ist bei "Iron & Coal" wichtig, dass man das Album nicht nur als meine persönliche Geschichte versteht, sondern dass die Wirkung dieser Songs darüber hinausgeht. Ich finde genau das ist der Segen des künstlerischen Schaffens: Du schreibst z.B. einen Song aus persönlichen Motiven, aber der Mensch, der ihn hört, kann sich seinen eigenen Reim darauf machen. Ich hoffe, dass in diesem Sinne "Iron & Coal" viele Leute anspricht und berührt, auch Menschen, die keinen jüdischen Hintergrund haben oder nicht mit dem Holocaust in Berührung gekommen sind. Und ich hoffe ebenso, "Iron & Coal" in Zukunft bei der einen oder anderen Gelegenheit auch live in Europa präsentieren zu können. Es gibt schon einige Pläne dafür, derzeit ist aber noch nichts spruchreif. Sobald es fixe Termine gibt, werden diese auf meiner Webseite bekannt gegeben.

Interview: Robert Fischer

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Jeremy Schonfeld
Video - Live-Performance des Titelsongs von "Iron & Coal" bei den Maccabi Games 2011 in Wien

Live-Tipp:
Jeremy Schonfeld @ Rote Bar, Volkstheater Wien
3.3.2013 (Beginn: 20:30 Uhr)