10 Lieder, entstanden 1966 bis 1970, sind die First Songs vom Mostrocker Gerhard Egger, die nun auf Vinyl erscheinen. Gedacht als Dokumentation für sich selbst, ist es letztlich viel mehr geworden, nämlich ein großartiges Album.
Gerhard Egger "First Songs"
Als kleiner Junge und auch später noch trug ich die Haare etwas länger – definitiv nicht so dünn wie Yul Brynner. In Wien aufgewachsen bedeutete das immer wieder mal mit kuriosen Aussagen konfrontiert worden zu sein. "Du siehst ja aus wie ein Mäderl" hätte ja als ein hübsches Kompliment gelten können, wäre da nicht dieser hämische, boshafte Unterton in der Stimme gewesen. Und wenn man ein "Beatle" genannt wurde, war das ebenfalls kein Kompliment. Diese Erinnerungen schwappten unweigerlich auf, als ich das erste Mal das Album "First Songs" (Birne Records; 2025) von Gerhard Egger hörte. 10 Lieder auf feinem Vinyl und in wunderschönem Design mit viel Liebe zum Detail bringen diese Zeit atmosphärisch zurück, ohne Nostalgierauschen und sentimentaler Verklärtheit, dass früher "alles besser war". War es ja nicht.
Des Mostrockers erste Lieder
Was es aber natürlich gab, war eine Art Aufbruchstimmung, nicht nur in der internationalen Rockmusikalischen Welt, sondern generell auch bei so manch Jugendlichen in Österreich, die, u.a. von The Beatles beeinflusst, ihre ersten angloamerikanischen Pop-Rock-Songs schrieben und beseelt vom Glauben an Frieden und Freiheit ihr Leben angingen. Na ja, so oder so ähnlich halt. Auf Gerhard Egger trifft das jedenfalls durchaus zu, und da Rockmusik in Österreich in den 1960er Jahren mehr oder weniger eine unentdeckte Landschaft war, fand er keine Möglichkeit diese ersten Lieder zu veröffentlichen. Daher sind auf dem Album "First Songs" Lieder zu hören, die zwar zwischen 1966 und 1970 entstanden sind, bis dato jedoch unveröffentlicht blieben. Da es von diesen Songs auch keine verwertbaren Aufnahmen aus jener Zeit gibt, ging der mittlerweile 75-jährige "Mostrocker" Gerhard Egger mit einigen Musikerfreunden ins Studio, um diese "First Songs" neu einzuspielen.
Lieder im Vintage-Sound
"Bis 1970", so Gerhard Egger im Interview, "gab es keine Möglichkeit diese Lieder aufzunehmen, nicht einmal mit einem Kassettenrekorder, so etwas hatten wir auch nicht." Arrangiert hat der Musiker aus dem Salzkammergut diese Lieder schließlich mit seinem Musikerfreund, dem Gitarristen Gery Moder. Wie sie es hinbekommen haben die Lieder im Vintage-Sound einzukleiden, obwohl das Album nicht analog aufgenommen wurde, ist zunächst einmal den Einstellungen bei den Verstärkern und Mikrofonen zu verdanken. "Und dann", so Gerhard Egger, "welche Effekte man bei den Gitarren nimmt – Phasing oder so aus der Zeit. Da haben wir zum Teil noch die Originalgeräte. Und das zweite ist das Mastering von Stefan Noltemeyer in Berlin. Er hat verschiedene Maschinen, die diesen speziellen Sound machen können. Hinzu kommt natürlich auch, dass die Lieder von der Songstruktur her ja aus dieser Zeit stammen, und so hören sich diese Songs auch automatisch ähnlich wie damals an."
Schönes Gesamtpaket
Das Vinyl selbst ist "Made and printed in Austria". Vinyl-Hörer*innen wissen, dass es daher eigentlich nur von Austro Vinyl stammen kann. "Man hat zwar", so Gerhard Egger, "eine Wartezeit von ca. 12 Wochen", aber diese Wartezeit hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn klanglich ist die Vinyl sehr sauber und kommt mit einer ausgewogenen Transparenz, Klarheit und Wärme daher. Sehr gelungen ist außerdem das optische Element, das Cover-Design, sowie die vierseitige Textbeilage plus charakteristischen Fotos und kurzen Anmerkungen zu den Liedern. Ein schönes Gesamtpaket also. Die Intention dahinter ist eine ganz pragmatische, nämlich "eine Dokumentation für mich", so Gerhard Egger, "und damit man weiß, dass es nicht ca. 1974 begonnen hat mit meinen Dialektliedern, sondern dass ich die Dialektlieder, die ich dann geschrieben habe, ohne diese englische Zeit nie so machen hätte können."
Von der Neugier angetrieben
Gerhard Egger wollte nie Spezialist sein, ihn treibt vielmehr die Neugier an. Nicht alles davon konnte umgesetzt werden, so liegt z.B. noch eine Beat-Oper aus 1969 in der Schublade der unveröffentlichten Projekte. Anderes ließ sich wiederum gut verwirklichen und brachte auch zwischen den Jahren Erfolge und Aufmerksamkeit, sei es seine Zusammenarbeit mit Wilfried, sei es als Mastermind der Art Boys Collection und dem Album "Stoned Wall" (1972; Re-Release 2001 und 2011) oder sei es Alben wie "Gerhard Eggers Lonely Mostrock Band" (2012) oder "Regenbogenland" (2019), beide firmierend unter Gerhard Egger & Die Mostrocker. Sein Oeuvre umfasst jedenfalls eine Bandbreite, die nicht selbstverständlich ist.
Frühe Inspirationsquellen
Und nun also diese schöne Rückblende mit "First Songs", die man gerne öfter hören mag ob der schönen Melodien und wirksamen Texten. Der dahinter steckende Drang an Perfektion hört sich erfrischenderweise sehr frei an. Die oben erwähnte Aufbruchstimmung ist hörbar. Inspirationsquellen für Gerhard Egger waren für das Schreiben dieser 60er-Jahre-Lieder frühe Jugendlieben, Kinofilmstoffe und selbstverständlich auch andere Lieder, z.B. "All Together Now" und "A Day In The Life" von The Beatles und "Born to be Wild" von Steppenwolf. Schwachpunkte oder Füller gibt es keine. Als erste Hörempfehlung bietet sich das von Eleanor Rigby’s father McKenzie inspirierte Lied "Girl Of Mine" an, sowie das vom Kinofilm Giant (mit James Dean und Liz Taylor) inspirierte "Didn't Linda Tell You" und das Liebeslied "Julia" an jene Frau selbigen Namens aus Hamburg. Insgesamt betrachtet kann man sich nun die Frage stellen, ob es schade ist, dass "First Songs" erst jetzt veröffentlicht wird oder ob man einfach dankbar sein soll, dass sie nun überhaupt veröffentlicht wurden. Ob der Unkenntnis dieser Lieder sind sie uns bisher freilich nicht abgegangen, aber fehlen würden sie uns dennoch. //
Text: Manfred Horak
Fotos: Gerhard Egger
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