Ende Oktober 2018 hat Axel Bosse sein Album "Alles ist jetzt" veröffentlicht, welches er im Dezember auch auf einer kleinen Österreich-Tour vorstellen wird.

Der deutsche Sänger, Songwriter und Gitarrist Axel Bosse aus Braunschweig veröffentlichte 2005 sein Debüt-Album "Kamikazeherz". Seitdem hat Axel Bosse fünf weitere Alben veröffentlicht, zuletzt 2016 "Engtanz" und hat viele Konzerte gegeben. Der Zuspruch des Publikums ist dabei kontinuierlich gewachsen, als Folge davon tritt Axel Bosse & seine Band in Deutschland mittlerweile in großen Hallen und bei Open-Airs auf. Wir trafen Axel Bosse zu einem Interview, um mehr über die Hintergründe des neuen Albums und seine Meinung zur derzeit angespannten, politischen Situation in Deutschland zu erfahren.

Kulturwoche.at: Wie entstehen die neuen Songs bei dir? Musst du dich fürs Schreiben an einen bestimmten Ort zurückziehen oder entstehen die Lieder bei dir eher im Alltag?

Axel Bosse: Neue Lieder entstehen bei mir eher zwischendurch. Ich schreibe jetzt wieder so wie früher, sehr spartanisch: Ein weißes Blatt Papier und ein Stift, mehr brauche ich nicht. In den letzten Jahren bin ich zum Schreiben regelmäßig nach Umbrien gefahren, weil mein zweiter Produzent da ein Haus hat, wo man sich gut zurückziehen kann. Ich war auch schon öfters zu diesem Zweck in Amsterdam, da hat ein Kumpel von mir ein Hausboot. Aber diesmal habe ich mir gedacht: Ich war in der letzten Zeit so viel unterwegs, darum habe ich überhaupt keinen Bock mehr, schon wieder wo hinzufahren! Zum Schreiben ist ja zwischendurch auch immer ein bisschen Ablenkung gut, und das habe ich am besten zuhause. Wenn ich da z.B. für meine Tochter im Supermarkt was einkaufen gehe etc. Deshalb habe ich beim Schreiben für das neue Album diesmal nur zuhause gearbeitet.

Hast du da bei dir einen speziellen Arbeitsraum?

Ich habe mir einen Raum in meinem Haus leergeräumt, und ich habe mir ein Klavier und zwei Gitarren reingestellt, die unterschiedlich gestimmt sind. Wenn ich dann den Text fertig habe und eine ungefähre Idee habe, wie das klingt, setze ich mich zum Computer. Das ist dann der nächste Schritt. Ich suche dann passende Melodien und lass mir eine Instrumentierung einfallen. Dann gehe ich irgendwann zu meinen Produzenten Tobi Kuhn oder zu Jochen Naaf, und die überarbeiten das Stück. Die beiden sind noch bessere Musiker als ich, sind sehr offen und kommen z.T. auch aus einer anderen musikalischen Ecke als ich. Deswegen habe ich dann auch einfach machen lassen (schmunzelt)!

Was gibt es zum Stück "Pjöngjang" zu sagen? Meine erste Assoziation dazu war das Treffen von US-Präsident Donald Trump mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un im Juni 2018 in Pjöngjang. Richtig?

Mit "Pjöngjang" ging es los. Das war der erste Song, den ich für das neue Album geschrieben habe. Mit dem Treffen der Politiker hat das Lied nix zu tun. Ich habe das auch schon vorher geschrieben. Ich liebe Asien und finde auch Nordkorea sehr interessant. Ich habe eine Menge über das Land gelesen und mich auch mit 1-2 Leuten getroffen, die dort als Diplomaten tätig waren. Ich fand einfach den Umriss einer extrem Unbekannten cool! Wenn man nach einer interessanten Stadt sucht, ist es sicher Pjöngjang. So entstand dann der Refrain "Ey wärst du eine Stadt, dann wärst du Pjöngjang/Ich komme nicht an dich ran". Ich hatte durch das Treffen der beiden Politiker im Juni dann nur mal kurz die Panik, dass sich Pjöngjang bzw. Nordkorea im Gegenzug jetzt vielleicht noch viel mehr dem Westen öffnen würde, dann hätte ich den Song wegschmeißen müssen! Aber das ist ja eh nicht passiert (schmunzelt)!

Zur ersten Single "Alles ist jetzt" hast du ein witziges Video veröffentlicht. Da kommt die schöne Zeile "Und was du träumst, das musst du machen/All die besten, super Sachen" vor. Wie ist das genau gemeint?

Dieser Song ist so bisschen Hip-Hop mäßig angelegt. Ich mag an Hip-Hop diese direkte Art und das Ansprechen von aktuellen Situationen. Was ich an Hip-Hop scheiße finde, ist diese Ich bin geiler als Du bzw. Alles was du toll findest ist scheiße-Attitüde! Sowas sage ich in dem Song nicht, aber die Aussage ist: Ich bin zurück, dieses und jenes habe ich in den letzten zwei Jahren gelernt! Ich habe da einfach aufgeschrieben, was ich in der letzten Zeit toll fand, was ich nicht so gut fand, was mich berührt hat. Wie ist das mit Hass und Liebe, dann springe ich kurz mal rüber zur Politik, und es geht auch ein bisschen um das Älterwerden. Irgendwie bin ich dann immer auf diese "Alles ist jetzt"-Phrase gekommen. Der springende Punkt im Leben ist doch, dass es begrenzt ist. Und mir ist auch klar, dass nicht immer alles nur gute Laune ist, aber ich finde, es sollte auf keinen Fall so sein, dass man dann irgendwie am Ende unter einer Straßenbahn liegt und sagt: Oh nein, es tut mir so leid für mich selber, ich bin so dumm gewesen! Ich habe so vieles nicht gemacht! Deswegen diese Zeile mit dem "Was du träumst, das musst du machen".

In eine ähnliche Kerbe schlägt ja auch das letzte Stück am Album "Ich bereue nichts", oder?

Ja, aber mit dem Song war es ein bisschen anders, als bei anderen Stücken. Manche Lieder brauchen ja ein halbes Jahr oder ein Jahr bis sie fertig sind. Da holt man den Text immer wieder mal raus und arbeitet daran weiter, aber „Ich bereue nichts“ habe ich auf 1,2 Promille an der Elbe ins Handy rein gesungen (schmunzelt)! Der Text ist dann 1:1 aufs Album gekommen! Ich habe mich da zuhause ans Klavier gesetzt und das Lied aufgenommen! Das was du bei der Aufnahme hörst, habe ich zuhause am Klavier mit einem billigen Mikro eingesungen, der ganze Rest ist später passiert. Wie das Lied entstanden ist: das war einfach ein perfekter, allumfassender Moment. Ich war da im Sommer mit Freunden und meiner Frau am Strand an der Elbe, irgendwo hinten brannte ein Lagerfeuer, alle waren glücklich. Ein wunderbarer, friedlicher Moment! Da habe ich dann zu meiner Frau gesagt: Es gibt Momente, da ist man stärker als jeder Vollidiot! Egal, was da im Moment auch weltpolitisch passiert, das ist gerade einfach so ein guter Moment, man MUSS es genießen! Egal, was morgen sein wird bzw. was gestern war! Es zählt nur dieser Moment!

Du bist auch ein sehr politisch interessierter Mensch und setzt dich regelmäßig gegen Rassismus und Fremdenhass ein. Was sagst du zur Politik derzeit bzw. speziell zur Lage in Deutschland nach den Vorfällen in Chemnitz?

Ich habe gerade gestern im Spiegel ein sehr gutes Interview mit einer der letzten Überlebenden der Widerstandsgruppe Weiße Rose gelesen. Wenn man dann das liest, wie diese Frau aus Amerika auf Europa und die Weltpolitik, auch auf Deutschland, schaut und sagt, dass es damals vor dem Zweiten Weltkrieg ganz genau so losgegangen ist, müssten ja eigentlich eh schon die letzten Alarmglocken läuten! Ich finde, dass wir da alle auch im selben Boot sitzen. Und das Boot sollte heißen, die Freiheit der Demokratie zu bewahren! Da ist der große Überbegriff meiner Meinung nach! Alles das, was gerade unterwandert wird und sich aber trotzdem aus dem demokratischen System ernährt, wie z.B. diese Schmuddelpartei AFD, da muss man einfach früher oder später sagen , das muss verboten werden! Ich weiß aber nicht, ob das der richtige Schritt ist?

Was fällt dir zu diesem Thema in Deutschland aktuell noch auf?

Positiv gesprochen habe ich das Gefühl, dass sich da gerade in Deutschland etwas tut, auch im Musikbereich. Auch Leute, die bis jetzt ausgesprochen unpolitisch waren, engagieren sich jetzt. Ich war z.B. sehr beeindruckt von Helene Fischer und ihrem Posting nach den Vorfällen in Chemnitz, wo sie sich dezidiert gegen Rassismus ausgesprochen hat. Es wird einfach Zeit, dass alle Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, und die derzeitige Situation scheiße finden, aber vielleicht eine Idee haben, wie man es anders machen könnte, sich zu Wort melden! Ich habe auch den Eindruck, dass speziell junge Leute wieder politisch werden, und Lust verspüren Nein zu sagen. Sie raufen sich zusammen, werden im Netz politisch aktiv. Also ich merke da in Deutschland aktuell auch sehr positive Ansätze. Ich beschäftige mich intensiv mit der aktuellen Politik in Deutschland und verfolge auch die Situation in Österreich.

In Kürze startet die Tour, die dich auch nach Österreich führt. Hast du da eigentlich Zeit auch ein bisschen was von den Städten, in denen du auftrittst, zu sehen?

Ja, schon! Ich stehe auf Tour meistens früh auf, so um 8 Uhr. Und da der erste Termin dann meistens erst der Soundcheck um 16 Uhr ist, habe ich da zumeist den ganzen Tag Zeit. Und das ist natürlich besonders schön, wenn man in Orten wie Wien oder Salzburg ist, weil das sind alles Orte wo ich noch nicht so oft war wie z.B. Cottbus oder Nürnberg oder so. Dort geht man dann eigentlich eh immer nur die immer gleiche Fußgängerzone entlang oder kauft sich sein Eis immer im selben Geschäft. Das ist dann halt nicht sooo aufregend (schmunzelt)! //

Interview: Robert Fischer
Fotos: Filmstill (Header), Regina Lettner

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Album-Tipp:
Bosse: Alles ist jetzt
Label/Vertrieb: Vertigo Berlin / Universal Music (2018)

Tourdaten:

Fr 30.11. Salzburg, Rockhouse
Sa 01.12. Wien, WUK