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er-ist-tot-jimNadia Baha traf an einem lauen Sommerabend Peter Vandor (Texte, Gesang, Gitarre) und Vincent Sufiyan (Gitarre) der Wiener Band Er ist tot, Jim, zum Gespräch.

Kulturwoche.at: Hallo. Vielen Dank fürs kommen.

Peter Vandor/Vincent Sufiyan: Danke für die Einladung!

Wie geht es?

Danke. Gut. Müde für Mittwoch. Das Wochenende war hart. Ich sage nur: Community Dance Project. Anstrengend aber schön.

Welche Musik hört ihr zurzeit?

Kreuz und quer. Kasabian zum Beispiel. Ja,kreuz und quer. Viel Altes, weniger Neues. Pink Floyd, aber die neue Single der Arctic Monkeys z.B. auch.

In eurem Song "Gartenbau" heißt  es "(...) an der Spitze ist für alle Platz ..."

Ja, da geht es allgemein um Menschen, die sich immer weiter in eine angepasste Richtung entwickeln und man überlegt, wie man sich dazu verhalten soll. Es ist ein Song darüber, den eigenen Platz in der Welt zu finden. Da gibt es mehrere Lieder von uns zu 'diesem Thema'. Es ist ein falsches Versprechen, dass man sich nur anstrengen muss und dann kommt man an die Spitze. Das ist natürlich nicht so und nur eine Illusion.

Sehr ihr euch als politische Band, denkt ihr, dass das Album auch ein politisches Album ist?

Es kommt darauf an, wie man Politik definiert. Wenn Politik ein Programm ist, dann nicht. Aber wir sind uns auf alle Fälle darüber bewusst, was um uns und in der Welt vorgeht und wir setzen uns in Bezug zu dieser Welt. Viele Fragen im Alltag, alltägliche Dinge sind oder können in sich auch politisch sein. Aber es geht auch immer um das eigene Leben und persönliche Fragen.

1968 lautete ein griffiger Slogan "Das Politische ist Privat und das Private ist Politisch". Ist das heute wieder/noch immer so?

Es wird immer Leute geben, die sich einfach keine Gedanken machen, die gar nicht auf die Idee kommen. Es gibt auch Bands, die sich "nur auf das Private" beschränken und dann gibt es wieder Bands, die ausschließlich Politik zu ihrem Thema gemacht haben. Es kommt darauf an...

Ihr seid alle abgesehen von der Musik auch noch anderweitig tätig. Wie beeinflusst euch das?

Wir haben alle zum Glück Jobs, die wir sehr gerne machen. Die sind in den unterschiedlichen Bereichen von Innenarchitektur über Menschenrechte bis zur Wirtschaft und Verlagswesen. Das beeinflusst uns in dem Sinn auf alle Fälle, dass wir beides als Glück empfinden. Es gibt uns die nötige Balance. Aber wir können noch nicht von unserer Musik leben. Außer wir drehen unseren Kalorienverbrauch auf null. (lachen)

Wie waren eure Anfänge?

Ende 1999. Ich begann Gitarre zu spielen. Ja, alles begann vor 13 Jahren im alterlaaer Kinderzimmer. Dann, später, spielten wir als Vorband von einer befreundeten Band und wir dachten uns: Das macht Spaß, das machen wir wieder. Wir machten damals Punk mit deutschen Texten und nannten uns Guantanamo. Diesen Namen wählten wir, um ein Mahnmal zu setzen. Wir dachten, Guantanamo (das Gefängnis)würde sich nicht lange halten, aber leider hielt es sich sogar länger als die Band. Seit ca. fünf Jahren gibt es Er ist tot, Jim.

Wie kam es eigentlich zu diesem Namen?

Als unser ehemaliger Schlagzeuger nach Tirol ging, mussten wir uns was Neues überlegen. Bei uns ist alles konsensorientiert und daher überlegten wir gemeinsam, wie es weitergehen könnte. Es ist tot, Jim ist eigentlich ein Zitat aus "Star Wars" - zu diesem Zeitpunkt war das für uns wie der Aufruf in die Zukunft zu schauen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Seit dem haben wir auch Daniel und Stefan in der Band - das ist die jetzige Besetzung.

Auf jeden Fall etwas Ausgefallenes...

Der Bandname ist wie unsere Songs. Ernste Aussage mit trashig-popkulturellem Hintergrund. Alles spielt sich im Subtext ab.

Was waren bis jetzt die Highlights?

Wir haben im TÜWI gespielt, an der Akademie der Bildenden Künste, am Badeschiff, im Chelsea. Der Protestsongcontest war natürlich auch ein Highlight und ja, das Album auch auf alle Fälle.

Gibt es eigentlich von Guantanamo Tonträger?

Es sind sicher irgendwo ein paar Demos in Internet versteckt. Wir haben zwei EPs gemacht. Die erste kriegt man nicht mehr - aus gutem Grund. (lachen) Das waren noch die Zeiten der guten alten Bandunion ... wie heißt es so schön: Die ersten 5000 Seiten schreibt man für die Tonne. Ich hoffe, dass wir über die 5000 Seiten hinausgekommen sind. (lachen)

Welche neuen österreichischen Bands können sich "eurer Gunst erfreuen"?

Die Helmut Bergers sind sehr gut. Coole Lieder, Charisma, tolle Band auch live. Filou. Der Gitarrist und der Bassist waren in meiner Parallelklasse. Die hatten ihr erstes Konzert im Luftbad. Der Lukas ist ja auch Autor. Es ist interessant, wie jemand, der 400 Seiten schreibt dann Texte für 4 Minuten schreibt. Es sind zwei verschiedene Sprachen.

Filou ist ja bei Problembärrecords. Was sagt ihr zum Nino aus Wien, der beim selben Label ist?

Der ist großartig. Der hat seine eigene Stimme und Sprache. Der einzige, der wienerisch singt, ohne, dass es peinlich ist.

Andere Bands?

Ginga. Gudrun von Laxenburg, Kpuntk - da haben wir Verbindungen hin. Das macht nostalgisch...

Was war eure Motivation mit Musik zu beginnen?

In der Volksschule gab es einen Schulchor. Von den 25 Kindern, die es gab, wurden nur drei nicht in den Schulchor genommen. Ich war einer davon. Man soll nicht auf Autoritäten hören!

Langweile. Es war Sommer und ich schnappte mir einfach eine Gitarre. Es begann als Sommer-Hobby.

Selber was machen, eine eigene Sprache finden. Das kann Musik.

Zum Album. Wie ist es entstanden?

Im Studio herrscht Perfektionismus. Zum Glück hat unser Produzent, der Andi Pils uns gefördert und unsere Ideen aufgegriffen. Zum Beispiel der Kinderchor im Lied "König der Welt". Wir haben eineinhalb Jahre für das Album gebraucht, es hat jeden Rahmen gesprengt. Das Mastering wurde ja in Deutschland gemacht und dann hätten wir fast unser Material nicht mehr zurückbekommen. Aber zum Glück ist unser Bassist auch Jurist und so hat es dann doch geklappt.

Die Dynamik im Studio - wir gehen vom Großen auf die Detailebene. Wie wir Musik machen ist, wie wir Songs machen. Wir jammen viel und daraus entsteht ein Lied. Was abläuft wird zum Muster, ein magischer Mix.

Woher kommt das Zeug her? - Aus deinem Kopf, ob du es willst oder nicht.

Was sind eure weiteren Pläne?

Wir sind gerade mitten im neuen Album. Es wird eine Promo EP zum Album geben. Wir sind auch gerade dabei Videos zu machen. Konzerte spielen, Songs schreiben, noch besser werden. Musikalische Weiterentwicklung. Es gibt einen Pool an Songs, daran feilen wir.

Ihr dürft euch zum Abschluss je eine Frage aussuchen und selbst stellen.

Peter Vandor: Was waren die verrücktesten Erlebnisse auf Tour/auf der Bühne?

Vincent Sufiyan: Die haben allermeistens mit Alkohol zu tun. Aber da fällt mir z.B. das Donauinselfest 2004 ein, da haben wir noch als Guantanamo gespielt. Wir waren furchtbar nervös und ich hatte sogar ein neues Effektgerät gekauft. Doch dann haben wir die Bühne nicht gefunden, waren 30 Minuten zu spät und der Veranstalter hat geschimpft. Das Effektgerät ging verloren ... aber das Konzert selbst war dann doch ein positives Erlebnis.

Peter Vandor: Mir fällt dann selbst noch ein ... das war vor 10 Jahren. Rock im Garten. In einer belebten Familiengartensiedlung im 23.Bezirk. Wir spielten vier Songs, dann kam die Polizei. Das war Punkrock!

Vincent Sufiyan: Ich würde gerne wissen, wie du dazu kommst, die besten Texte im deutschen Sprachraum zu schreiben?

Peter Vandor: Texte schreiben, ich weiß nicht, wo die herkommen. Die Musik ist meistens zuerst da. Ich habe ein Notizbuch und dann fange ich an zu blättern. Da ist das Bewusstsein nicht mehr drin. Das klingt jetzt metaphysischer als ich’s mein. Gott sei Dank, hat mein Unterbewusstsein scheinbar eine Ästhetik. Die Musik öffnet Schleusen für Gedanken, die gepflückt werden können!

Vielen Dank für das Interview.

Wir danken!
er-ist-tot-jim-1Interview und Fotos: Nadia Baha (Juni 2012)

Link-Tipp:
Er ist tot, Jim