Nationalsozialismus im Comic Fotocollage groß

Comics und Graphic Novels sind für die Aufarbeitung der NS-Gräuel in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Über die Möglichkeiten von Comics in der Bildungsarbeit zur Shoa.

Nationalsozialismus im Comic - Comics als Medium der Erinnerung

Das von der Kunstuni Linz vorgegebene Leitmotiv am "Tag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ war über die Möglichkeiten von Comics als Medium der Erinnerung zu erzählen. Konzipiert wurde es vom "Co.Lab Erinnerungsarbeit“ und dem Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, einer von sechs Euthanasieanstalten des NS-Regimes.

Die Shoa im Comic wurde erstmals 1986 dargestellt

"Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“, ein Comic von Art Spiegelman, der schwarzweiß die Geschichte seines Vaters, eines Überlebenden von Auschwitz, und seiner Mutter erzählt, gilt heute als Klassiker, wobei die Juden in Art Spiegelmans Buch als Mäuse und die Deutschen als Katzen dargestellt wurden. Bis dahin spielten Comics in der Wissenschaft zum Thema "Nationalsozialismus im Comic", wenn überhaupt, eine Randrolle. Mit "Maus“ änderte sich das schlagartig. Forschungen zu Gender in Comics über die Shoa gibt es seither genauso wie die Auseinandersetzung mit antisemitischen Projektionen in Art Spiegelmans "Maus“ bis hin zu den Möglichkeiten von Comics in der Bildungsarbeit zur Shoa, wie z.B. im Sammelband "Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics“ von Markus Streb, Ole Frahm und Hans-Joachim Hahn, das für reichlich Diskussionsstoff sorgt.

Was der Holocaust für Kinder bedeutete

Aus dem Forschungsprojekt "Narrative Art and Visual Storytelling in Holocaust and Human Rights Education“ ging wiederum das Buch "Aber ich lebe“ von der Comiczeichnerin Barbara Yelin und Gilad Seliktar hervor. Das Projekt hat zum Ziel, Künstler, Wissenschafterinnen und die letzten Überlebenden zusammenzubringen. In “Aber ich lebe” wird die Geschichte von vier Menschen erzählt, die damals Kinder waren und den Holocaust überlebten und vor Augen führt, was der Holocaust für Kinder bedeutete. Es sind Zeugnisse, die für folgende Generationen festgehalten werden. Eine wichtige Funktion in Comics und Graphic Novels haben dabei die Leerstellen zwischen den Panels, also den Bildern eines Comics, die zur Fantasie bei den Lesenden anregt. Medienwissenschafterin und Comicforscherin Véronique Sina: "Gerade weil das Medium Comic mit Leerstellen arbeitet und von Diskontinuität geprägt ist, eignet es sich hervorragend dafür, traumatische Erfahrungen nicht nur im Text, sondern auch auf visueller Ebene zu transportieren. Die Erinnerung ist meist fragmentiert, gebrochen und nicht linear abrufbar. Schließlich ist die Repräsentation der Shoa immer verknüpft mit Unfassbarkeit und Undarstellbarkeit. Comics reflektieren das.“ Die Bilder in den Comics und Graphic Novels öffnen dabei riesige Vorstellungswelten mit all ihren Widersprüchen und Doppeldeutigkeiten. Zu erwähnen sei zum Thema "Nationalsozialismus im Comic" speziell das Buch "Insekten“ von Regina Hofer und Leopold Maurer, das von den Erinnerungen des Nazi-Großvaters von Maurer handelt und zwischen narrativen und abstrakten Elementen wechselt.

Nationalsozialismus im Comic Collage

Weiblicher Widerstand hingegen steht im Buch "Die Schönheit der Verweigerung“ vom Wiener Zeichner Thomas Fatzinek im Mittelpunkt, das die Mitglieder einer Widerstandsgruppe im Salzkammergut skizziert und Frauen als gleichwertige Kämpferinnen darstellt. Eine unbedingte Leseempfehlung ist außerdem "Lily Renée, Escape Artist - From Holocaust Survivor to Comic Book Pioneer” von Trina Robbins, Anne Timmons und Mo Oh. Die Titelheldin wurde in Wien geboren, von wo sie per Kindertransport entkam, und erlangte in den USA Berühmtheit als Zeichnerin und Illustratorin von Comics weiblicher Superheldinnen wie Señorita Rio. Und so wie die Bandbreite an Genres, Zeichenstilen und Zugängen zum Thema "Nationalsozialismus im Comic“ wuchs, stieg auch die Popularität, was wiederum einigen ganz und gar nicht gefällt. Unter fadenscheinigen Gründen wurden in den USA Spiegelmans "Maus“ und auch die Graphic Novel "Das Tagebuch der Anne Frank. Graphic Diary“ von Ari Folman und David Polonsky u.a. aus Schulbibliotheken entfernt. Angela Koch, Leiterin des Co.Lab Erinnerungsarbeit: "In den USA kommen die Anfeindungen von gesellschaftskritischen Comics ganz klar von rechtskonservativer Seite. Graphic Novels würden nicht nur angegriffen wegen expliziter Bilder, etwa zu Sexualität, sondern auch weil sie wenig leseaffinen Menschen leichter zugänglich seien. Genau diese Zugänglichkeit von Bildern ermöglicht aber auch insbesondere jüngeren Menschen, sich einem Thema wie der NS-Zeit anzunähern.“ 

Text: Manfred Horak
Fotocollage: © Kunstuniversität Linz: Tagung "Nationalsozialismus im Comic - NS-Geschichte im Rinnstein. Comics als Medium der Erinnerung“ 

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