mit den Schlagworten:

alfred-komarek-polt-teaserUm den Wein dreht sich hier sehr viel. Jedenfalls wenn man ins Weinviertler Wiesbachtal gehört, wo der selbsterwählte Gendarmeriepensionist Simon Polt den Wirten übernimmt und trotzdem seine milieuangepasste Spürnase nicht völlig im Frühveltliner untergehen lässt.

 

Und Kosten muss man. Fast unausgesetzt.

Aber es ist schon ein harter Weg durch all die winkeligen Kellergassen und önologischen Privatexpertisen der schrulligen Weinbauern in ihrem abgeschiedenen Soziotop. Einmal eingeladen und schon hingesetzt zum Wein, und schon gibt es kein Entrinnen. Eine Welt, scheinbar in Ordnung. Normaler österreichischer Alkohol Abusus verpackt in pittoresk-rurale Idylle. Scheinidylle. Denn neben der zweifellos liebenswerten Versammlung von Weinviertlern legt Alfred Komarek einmal mehr gekonnt seinen Finger auf die unter der Oberfläche vor sich hin gammelnden Wunden im Menschen- und Seelenfleisch der Bewohner. Und stets besteht da die Gefahr, dass Pflichtbewusstsein in Penetranz, Harmoniebedürfnis in Familientragödien und idyllische Randlage in versoffene Perspektivenlosigkeit kippen.

Weinkost vom Bösen

Und, weil das ja ein Krimi ist: auf einmal ein Mord. Das heißt, anfangs ist das gar nicht so klar, aber mit dem Verlauf der Geschichte wird immer klarer, dass hier eine der subkutanen Faulstellen gewaltsam aufgeplatzt ist und sich mitten in der lieblichen Dorfrunde ein Mörder befindet. Da kommt das brodelnde Dorfwerkel in Gang. Gerüchte werden lanciert, Verdächtigungen geäußert, ein bestinformiertes Frauennetzwerk wird aktiv. Und inmitten dieser Unruhe der bedächtige, doch leicht versoffene Neo-Kirchwirt und Altgendarm Polt, den die Verdachtslage ausgerechnet zu einem netten Freund und Ex-Kollegen führt. Die aufgescheuchte Trinkgemeinschaft im Wiesbachtal wird immer nervöser, Gewalt bricht auf und schließlich liefern die klugen Frauen im Dorf entscheidende Hinweise.

Es ist ein großes Verdienst Alfred Komareks, dass er sich hingebungsvoll und minutiös sowohl der verschworenen Dorfgemeinschaft widmet, als auch individuell in die zum Teil bizarren Abgründe der handelnden Personen hineinschaut. So wird "Polt." zum großen Lesevergnügen, keine Zeile im Verdacht der ausufernden Krimibanalitäten, die sonst die Regale ganzer Buchhandlungsketten blockieren. Komarek bleibt Kapitel für Kapitel immer fein, genau, äußerst witzig und billigt allen Figuren, auch den Schurken, ein gerüttelt Maß an Menschlichkeit zu. Das Lokalkolorit ist nie kitschig, peinlich oder naiv. Überall schimmert Echtes, Wahres und daher oft auch Witzig-Böses durch.

Übrigens: Dass der Mörder in diesem Fall auch Weinbauer war, darf ohne großen Geheimnisverlust verraten werden. Das Böse ist unter uns. Sogar im netten Wiesbachtal. Lesen! (Tristan Jorde)

alfred-komarek-poltBuch-Tipp:
Alfred Komarek: Polt.

 Bewertung: @@@@@
Verlag: Haymon (2009)
ISBN: 978-3-85218-604-7